BGH: Vaterschaftsanerkennung bei Doppelehe der Mutter

6. Juni 2023

Mehrstaater mit sowohl deutscher als auch iranischer Staatsangehörigkeit fallen nicht in den
persönlichen Anwendungsbereich des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens.
Ist unter deutschem Sachrecht als Abstammungsstatut bei der Anwendung von § 1592 Nr. 1
BGB die Frage zu klären, ob der Vaterschaftsprätendent zum Zeitpunkt der Geburt mit der
Mutter verheiratet war, wird die Vorfrage nach der formellen und materiellen Wirksamkeit
dieser Ehe grundsätzlich selbständig angeknüpft und richtet sich daher nach dem von Art. 11
EGBGB und Art. 13 EGBGB berufenen Sachrecht.
Stellt sich in diesem Zusammenhang bei der Prüfung von Ehehindernissen die weitere
Vorfrage nach dem Fortbestand der früheren Ehe eines der beiden Verlobten, wird diese
grundsätzlich unselbständig angeknüpft, d.h. aus der Sicht der Rechtsordnung
(einschließlich ihres Kollisionsrechts) beantwortet, deren Sachrecht über die materiellen
Voraussetzungen für die wirksame Eingehung der neuen Ehe entscheidet.
Kommt es dabei auf die wirksame Auflösung der Vorehe eines Verlobten durch eine im
Ausland durchgeführte Scheidung an, ist eine solche Scheidung nur dann beachtlich, wenn
sie in Deutschland im Verfahren vor der Landesjustizverwaltung nach § 107 FamFG anerkannt
worden ist; insoweit wird das kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis vom
verfahrensrechtlichen Anerkennungserfordernis überlagert.
Leidet die Ehe nach beiden durch Art. 13 Abs. 1 EGBGB berufenen Heimatrechtsordnungen der
Verlobten unter dem Mangel der Doppelehe, bestimmt sich die Fehlerfolge grundsätzlich
nach dem ärgeren Recht, d.h. nach dem Recht, welches die schärferen Rechtsfolgen an die
Mangelhaftigkeit der Ehe knüpft. Ausnahmsweise kann im Einzelfall eine wertende Korrektur
durch Heranziehung des milderen Rechts, d.h. des Rechts, welches an den Mangel der
Doppelehe die am wenigsten schädlichen Rechtsfolgen für die bigamische Ehe knüpft,
geboten sein, wenn die Anwendung der strengeren Fehlerfolge zu einem Ergebnis führt,
welches keiner der beiden beteiligten Rechtsordnungen bei deren isolierter Betrachtung
entspricht.
Besteht infolge einer Doppelehe der Mutter nach § 1592 Nr. 1 BGB eine
Vaterschaftsvermutung für zwei Ehemänner, ist § 1593 Satz 3 BGB analog anzuwenden, so
dass die Vaterschaft dem Ehemann der späteren Ehe zugeordnet wird.


Az XII ZB 565/20 Beschluss vom 8.3.2023