Gesamtschuldnerausgleich: Unterhaltsrechtliche Anrechnung von Verbindlichkeiten – Mangelfall

2. Mai 2024

1. Dem Anspruch des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners aus § 426 Abs. 1 BGB kann der Ausgleichspflichtige grundsätzlich nicht entgegenhalten, dass eine anderweitige Bestimmung darin bestehe, dass die zugrunde liegenden Darlehensraten bei der Berechnung des Anspruchs auf Unterhalt für die gemeinsamen Kinder einkommensmindernd in vollem Umfang berücksichtigt wurden.

2. Der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner kann sich jedoch durch die nachträgliche Inanspruchnahme treuwidrig verhalten (§ 242 BGB), wenn die berücksichtigungsfähigen Darlehensraten zu einer Reduzierung seines Einkommens mit der Folge geführt haben, dass ein Mangelfall beim Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zu eine Herabsetzung ihrer Ansprüche um etwa die Hälfte geführt hat, nachträglich höherer Kindesunterhalt nicht mehr gefordert werden kann und die Reduzierung des Unterhalts in etwa dem Ausgleichsanspruch entspricht.

3. Soweit der die gemeinsamen Kinder betreuende, ausgleichspflichtige Gesamtschuldner den nicht gedeckten Kindesunterhalts aus eigenen Einkünften erbracht hat, steht ihm gegen den anderen, nicht leistungsfähigen Elternteil ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch nicht zu.

OLG Celle, Beschl. v. 17.5.2023 – 21 UF 3/23

I. Der Fall

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin, ihre geschiedene Ehefrau, auf Ausgleich aus vier Darlehensverträgen und zwei Bausparverträgen in Anspruch.

Aus ihrer am 3.9.2010 geschlossenen Ehe sind die drei Kinder J., geboren Februar 2012, F., geboren März 2015 und L., geboren April 2018, hervorgegangen. Auf den Antrag der (hiesigen) Antragsgegnerin vom 13.5.2020, der der Antragstellerin am 19.6.2020 zugestellt worden war, wurde die Ehe der Beteiligten durch den am 15.1.2021 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts Zeven – rechtskräftig seit dem 6.3.2021 – geschieden.

Die Beteiligten haben während ihrer Ehe gemeinsam das Eigentum an der Immobilie erworben und zur Finanzierung im Jahr 2015 gemeinsam vier Darlehen bei der Bank aufgenommen. Zum Ende 2019 belief sich das Saldo nach der Mitteilung der Bank von Januar 2020 auf insgesamt rund 364.000 EUR. Während des ehelichen Zusammenlebens zahlte die Antragstellerin die Darlehensraten an die Bank in Höhe von monatlich insgesamt 941,48 EUR, wobei eine Tilgung nur auf zwei Darlehen in geringem Umfang erfolgte. Zusätzlich hatte die Antragstellerin bei der X-Bank zwei Bausparverträge abgeschlossen, auf die sie monatliche Beiträge von 218,75 EUR sowie weiteren 185 EUR erbrachte. Diese Verträge waren zur Sicherung der Darlehen abgetreten. Der Gesamtbetrag der von der Antragstellerin getragenen Belastungen belief sich auf 1.345,23 EUR. Die Antragsgegnerin trug von ihrem Einkommen alle weiteren Kosten der Lebenshaltung der Familie. Hierzu hat sie erstinstanzlich Aufstellungen vorgelegt.

Im Februar 2019 zog die Antragstellerin aus der gemeinsamen Immobilie aus und mietete sich eine kleine Wohnung, ohne ihre Möbel mitzunehmen. Sie betreute die gemeinsamen Kinder tageweise innerhalb der gemeinsamen Immobilie. An diesen Tagen schlief die Antragsgegnerin in der Kaserne. Ab März 2020 kam es zwischen den (damaligen) Eheleuten zum Streit über die Finanzen. Die Antragsgegnerin forderte von der Antragstellerin die Zahlung von Kindesunterhalt, während die Antragstellerin von ihr u.a. verlangte, dass diese sich an den Hausfinanzierungen beteiligt.

Das von der Antragsgegnerin zur Unterstützung eingeschaltete Jugendamt des Landkreises R. hat die Höhe des von der Antragstellerin geschuldeten Kindesunterhalts mit Schreiben vom 2.4.2020 mit rund 442 EUR berechnet. Dabei hat es die auf der Finanzierung der Immobilie beruhenden Belastungen der Antragstellerin in Höhe von 1.345,23 EUR berücksichtigt. Die Antragstellerin leistete den auf diesen Gesamtbetrag bezifferten Kindesunterhalt im verfahrensgegenständlichen Zeitraum. Darüber hinaus korrespondierten die Beteiligten Mitte 2020 über den von der Antragstellerin geltend gemachten Trennungsunterhalt. Deren Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vom 24.7.2020 für monatlichen Unterhalt von rund 1.139 EUR wies das Amtsgericht Zeven mit Beschl. v. 8.10.2020 im Hinblick auf einzusetzendes Vermögen zurück.

Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.11.2020 auf, ihr für den Zeitraum vom 1.2.2019 bis zum 31.12.2020 die Hälfte der Finanzierungslasten der Immobilie in Höhe von monatlich [1.345,23 EUR: 2] 672,61 EUR zu erstatten. Zugleich machte sie für die Nutzung ihres Miteigentumsanteils eine monatliche Entschädigung von 700 EUR ab Februar 2019 geltend.

Die Antragsgegnerin war dieser Forderung außergerichtlich unter Hinweis auf die von ihr übernommenen Lebenshaltungskosten der Familie und der zugrundeliegenden Vereinbarung der Beteiligten entgegengetreten.

Nach dem Schreiben des Notars F. vom 11.6.2021 verkauften die Beteiligten ihre Immobilie zum 30.7.2021 und teilten den Erlös hälftig, ohne dass die Bausparverträge zur Zurückführung der Immobiliendarlehen bei der Bank eingesetzt werden mussten. Diese hat die Bausparverträge an die Antragstellerin zurückabgetreten.

Nachdem die Antragsgegnerin gegen den von der Antragstellerin beantragten und ihr am 8.1.2021 zugestellten Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatte, hat die Antragstellerin mit ihrem Antrag vom 26.3.2021 zunächst im Wege eines Teilantrags begehrt, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 15.470,03 EUR für den Zeitraum von Februar 2019 bis Dezember 2020 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2020 zu verpflichten, und sich eine Antragserweiterung für die Zeit ab Januar 2021 vorbehalten.

Die Antragsgegnerin hat behauptet, dass die Antragstellerin trotz erfolgter Trennung die Ehewohnung noch bis einschließlich März 2020 genutzt und nie vollständig aufgegeben habe. Auch hätten sich die Beteiligten nach der Trennung darüber geeinigt, dass die Antragstellerin weiterhin die Hauslasten und sie die übrigen Kosten der Haushaltsführung einschließlich der Kindertagesstätten- und Versicherungsbeiträge und die sonstigen Verbindlichkeiten tragen sollte. Im März 2020 habe die Antragstellerin die vereinbarte Kostenaufteilung infrage gestellt und sie sodann Kindesunterhalt für die von ihr betreuten gemeinsamen Kinder geltend gemacht. Sie hat hilfsweise die Aufrechnung mit rückständigem Kindesunterhalt erklärt.

II. Die Entscheidung

Das OLG Celle hält die zulässige Beschwerde auch für begründet. Es führt diesbezüglich aus:

1. Nach der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärten Rücknahme der Beschwerde verbleibt es hinsichtlich eines Teilbetrages von 8.408,93 EUR bei der amtsgerichtlichen Entscheidung. Die Rücknahme der Beschwerde bezieht sich auf den geltend gemachten Anspruch für den Zeitraum von Februar 2019 bis Dezember 2020 in Höhe von [470,74 EUR x 14 Monate] 6.590,36 EUR hinsichtlich der Darlehensraten sowie in Höhe von weiteren [201,87 EUR x 23 Monate] 4.643,01 EUR hinsichtlich der Bausparverträge. Dabei bedurfte es zur wirksamen Rücknahme der Beschwerde einer Zustimmung der Antragsgegnerin nicht (§ 67 Abs. 4 FamFG). Die teilweise Beschwerderücknahme hat nach den §§ 117 Abs. 2 FamFG, 516 Abs. 3 ZPO den Verlust des Rechtsmittels insoweit zur Folge.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin ist in der Sache erfolgreich, soweit sie – teilweise antragserweiternd – von der Antragsgegnerin nunmehr beantragt, ihr einen Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 7.061,10 EUR für den Zeitraum vom 1.4.2020 bis zum 31.8.2021 zu zahlen. Die Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz ist zulässig, auch wenn die Antragsgegnerin in diese nicht eingewilligt hat. Die Antragserweiterung erweist sich als sachdienlich, weil hierdurch bei unveränderter Tatsachengrundlage für den erweiterten Zeitraum ein weiteres gerichtliches Verfahren entbehrlich ist (§§ 117 Abs. 1, 113 Abs. 1 FamFG, § 263 ZPO).

a) Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Erstattung der hälftigen, von ihr in dem Zeitraum von April 2020 bis zum August 2021 geleisteten Darlehensraten gemäß § 426 Abs. 1 BGB zu.

Die früheren Eheleute waren aus den Darlehensverträgen mit der X-Bank Gesamtschuldner, weil sie diese gemeinsam abgeschlossen hatten, wie sich aus der Saldenmitteilung der X-Bank vom Januar 2020 ergibt. Die Antragstellerin hat in der Zeit ab April 2020 unstreitig die monatlichen Darlehensraten von insgesamt 941,48 EUR an die X-Bank allein erbracht.

b) Die Antragsgegnerin hat nicht hinreichend dargelegt oder bewiesen, dass für den im Beschwerdeverfahren noch streitigen Zeitraum ab April 2020 abweichend von der gesetzlichen Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB einer gleichen Verpflichtung der Gesamtschuldner zueinander vorliegend eine anderweitige Bestimmung zwischen den Beteiligten Geltung hat.

Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus einer ausdrücklich oder konkludent getroffenen Vereinbarung der Beteiligten ergeben. Sie kann aber darüber hinaus auch aus dem Sinn und Zweck eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder aus der Natur der Sache, d.h. aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens, folgen (BGH FamRZ 1995, 216, 217; 2007, 1975, 1976). Aus der tatsächlichen Handhabung der Rückführung von Darlehensverbindlichkeiten während der bestehenden Lebensgemeinschaften kann in der Regel auf eine stillschweigend getroffene Vereinbarung dahingehend geschlossen werden, dass ein späterer finanzieller Ausgleich für die erbrachten Leistungen nicht erfolgen soll (vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 8. Aufl., Rn 362 ff.). Zwar gilt nach dem Scheitern der Ehe bzw. einer endgültigen Trennung diese frühere Handhabung nicht mehr fort, sodass die Gesamtschuldner nach dem gesetzlichen Regelfall zu gleichen Anteilen haften. Dies gilt jedoch wiederum nicht, wenn sie für diesen Zeitraum eine anderweitige Bestimmung getroffen haben (Wever, a.a.O., Rn 376 ff.).

Die Beteiligten haben schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend dargelegt, dass sie während des ehelichen Zusammenlebens eine Verteilung aller Kosten dahingehend geregelt hatten, dass die Antragstellerin die Kosten der Hausfinanzierung allein und die Antragsgegnerin sämtliche weiteren Kosten der allgemeinen Lebensführung getragen haben. Diese Regelung haben die Beteiligten auch nach der Trennung im Februar 2019 zunächst einvernehmlich fortgeführt. Dies ergibt sich sowohl aus der den von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 20.10.2021 vorgelegten Aufstellungen der von ihr getragenen Kosten, denen die Antragstellerin nicht entgegengetreten ist, sowie aus der Aussage der Zeugin F. in der mündlichen Verhandlung vom 3.11.2022.

Erst ab März 2020 kam es zum Streit über die beiderseitige Verteilung der Kosten, ohne dass hierauf der bereits Anfang 2019 erfolgte Umzug der Antragstellerin eine signifikante Auswirkung gehabt hatte. Nachdem die Antragsgegnerin von der Antragstellerin die Zahlung von Kindesunterhalt für die drei gemeinsamen Kinder gefordert hatte, verlangte die Antragstellerin von der Antragsgegnerin die hälftige Erstattung der Hauslasten und die Zahlung einer Nutzungsentschädigung, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend erklärt haben. Ab April 2020 kann das Fortbestehen der bis dahin angewendeten anderweitigen Bestimmung, dass die Antragstellerin die Hauslasten weiterhin allein trägt, nicht mehr angenommen werden.

Soweit die Antragsgegnerin das (Fort-)Bestehen einer anderweitigen Bestimmung geltend macht, hat sie den ihr obliegenden Beweis für den Zeitraum ab April 2020 nicht erbracht. Die von ihr benannte Zeugin F. hat bei ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht im Gegenteil ausdrücklich erklärt, dass sich die Verteilung der Kosten durch die Beteiligten Mitte des Jahres 2020 geändert habe. Ihre Tochter habe die Versicherung der Antragstellerin nicht mehr getragen, dafür aber Nebenkosten für das Haus übernommen. Danach kann auch auf der Grundlage der Zeugenaussage nicht angenommen werden, dass sich die Beteiligten ab April 2020 (weiterhin) darüber einig waren, dass die Antragstellerin die Hauslasten allein tragen sollten.

c) Eine anderweitige Bestimmung i.S.v. § 426 BGB kann auch darin bestehen, dass die Darlehensverpflichtung in die Berechnung eines Anspruchs auf Ehegattenunterhalt eingeflossen ist. Eine auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ehegatten zu berücksichtigende Verbindlichkeit führt zu einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs und damit finanziell zu einer Beteiligung des Unterhaltsberechtigten, weil die Reduzierung des Unterhaltsanspruchs wirtschaftlich nahezu dem hälftigen Schuldenabtrag entspricht (BGH FamRZ 2007, 1975, 1976 [Rn 15], Wever, a.a.O., Rn 432).

Zwischen den Beteiligten stand neben dem Kindesunterhalt und dem Gesamtschuldnerausgleich zusätzlich ein Anspruch auf Trennungsunterhalt im Streit. Die Antragstellerin hatte außergerichtlich Trennungsunterhalt mit Schreiben vom 12.4.2020 geltend gemacht und im Schriftsatz vom 24.7.2020 Verfahrenskostenhilfe für einen monatlichen Betrag von 1.139 EUR sowie hilfsweise für eine monatliche Nutzungsentschädigung von 711 EUR beantragt (4 F 211/20 Amtsgerichts Zeven). Dabei hatte die Antragstellerin von ihren Erwerbseinkünften von 2.945 EUR den gezahlten Kindesunterhalt von monatlich 442 EUR sowie die Hausverbindlichkeiten von 1.345 EUR in Abzug gebracht. Die Antragsgegnerin hatte die gegen sie erhobene Forderung mit Schreiben vom 16. Juni und 1.7.2020 sowie Schriftsatz vom 21.8.2020 u.a. mit dem Argument zurückgewiesen, dass sie in einem Umfang von 1.025 EUR neben dem Naturalunterhalt auch den Barunterhalt für die Kinder leiste, weil die Antragstellerin lediglich in Höhe von 442 EUR Kindesunterhalt gezahlt hat. Den zunächst beim Amtsgericht anhängig gemachten Antrag auf Zahlung von Trennungsunterhalt hat die Antragstellerin nach der Versagung von Verfahrenskostenhilfe mangels Bedürftigkeit i.S.v. § 115 ZPO nicht weiterverfolgt (4 F 211/20 UE).

Zwischen den Beteiligten ist ein Ausgleich der Darlehensverbindlichkeiten auf diesem Wege nicht erfolgt, weil die Antragstellerin den von ihr ursprünglich geltend gemachten Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht weiterverfolgt und die Antragsgegnerin einen solchen auch nicht gezahlt hat.

d) Eine anderweitige Bestimmung, die die grundsätzliche Haftung von Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen im Innenverhältnis verdrängt, kann hier auch nicht darin gesehen werden, dass die von der Antragstellerin allein getragenen Darlehensraten gegenüber der X-Bank durch das Jugendamt des Landkreises R. bei der Bemessung des Kindesunterhalts insgesamt einkommensmindernd berücksichtigt worden sind und die Antragstellerin den durch das Jugendamt auf 442 EUR bemessenen Kindesunterhalt gezahlt hat, ohne auf einen höheren Kindesunterhalt in Anspruch genommen zu werden.

Die rechtliche Beurteilung einer Gesamtschuld bei der Berechnung eines Anspruchs auf Ehegattenunterhalt kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Inanspruchnahme des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners bei der Bemessung von Kindesunterhalt nicht übertragen werden. Dabei hat der Bundesgerichtshof maßgeblich darauf abgestellt, dass insoweit bereits keine wechselseitigen Ansprüche der Ehegatten bzw. Gesamtschuldner vorliegen, die eine Kompensation bewirken könnten. Darüber hinaus wird über den Abzug von Verbindlichkeiten beim Kindesunterhalt eine nahezu hälftige Aufteilung der Schuldentilgung nicht herbeigeführt. Dies folge maßgeblich daraus, dass der Schuldenabtrag lediglich zu einer Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach einer niedrigeren Gruppe der Düsseldorfer Tabelle und damit zu einem geringeren Kindesunterhalt führe, der jedoch regelmäßig nicht einem angemessenen Äquivalent für die alleinige Belastung mit der Gesamtschuld entspreche. Die dadurch bedingte Reduzierung des geschuldeten Kindesunterhalts sei darüber hinaus auch nicht durch den anderen Gesamtschuldner bzw. Elternteil auszugleichen, weil dieser gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB seiner Unterhaltsverpflichtung durch Pflege und Erziehung nachkomme und nicht barunterhaltspflichtig sei (BGH FamRZ 2007, 1975, 1976 [Rn 16 f.]; FamRZ 2008, 602; Wever, a.a.O., Rn 436 f.).

Diese Bewertung lässt sich auf das Verhältnis der Beteiligten nicht ohne weiteres übertragen. Dies hat seinen Grund maßgeblich darin, dass der Abzug der Darlehensraten auf Seiten der Antragstellerin zu einer Reduzierung des für die drei gemeinsamen Kinder geschuldeten Unterhalts in einer Höhe führt, die nahezu dem hälftigen Ausgleichsanspruch der Gesamtschuldner entspricht. Die geringere Inanspruchnahme beim Kindesunterhalt folgt vorliegend aus der Berechnung der Ansprüche gegen den Selbstbehalt der Antragstellerin, sodass sich jede Reduzierung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens im Mangelfall unmittelbar beim geschuldeten Kindesunterhalt abbildet. Für den Fall der anteiligen Haftung der Eltern auf Volljährigenunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB vertritt Wever (a.a.O., Rn 437) die Auffassung, dass der Abtrag der Gesamtschuld sich in Form einer deutlichen Ersparnis in Bezug auf den Kindesunterhalt auswirken kann. Darüber hinaus könne zu berücksichtigen sein, dass der betreuende Elternteil im Fall der Leistungsunfähigkeit des anderen Elternteils finanziell eingesprungen ist und auf diese Weise die Gesamtschuld mitgetragen hat.

Das Jugendamt des Landkreises R. ist in seinem Schreiben vom 2.4.2020 von einem Einkommen der Antragstellerin von 2.947 EUR ausgegangen und hat hiervon die Hausbelastungen von insgesamt 1.345 EUR abgesetzt. Oberhalb des Selbstbehalts von 1.160 EUR verblieb für den Kindesunterhalt ein Betrag von 442 EUR. Den Gesamtbedarf der drei gemeinsamen Kinder hat das Jugendamt mit 853 EUR angegeben (322 EUR + 267 EUR + 264 EUR) und anschließend eine Mangelfallberechnung durchgeführt, bei der sich anteilige Beträge von 167 EUR für J., von 138 EUR für F. sowie von 137 EUR für L. ergaben.

Da die Antragstellerin lediglich in Höhe eines Betrages von 442 EUR leistungsfähig war, blieb der Gesamtbedarf in Höhe eines Betrages von 411 EUR ungedeckt. Nach den nicht bestrittenen Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse nicht bezogen. Der von der Antragstellerin geltend gemachte monatliche Ausgleichsbetrag aus der Darlehensverpflichtung beläuft sich auf 471 EUR. Der Schuldenabtrag führt vorliegend nicht nur zu einer Reduzierung des Kindesunterhalts um die Differenzbeträge verschiedener Einkommensgruppen, sondern bewirkt durch die erforderliche Mangelfallberechnung eine signifikante Kürzung des Kindesunterhalts um etwa die Hälfte des Mindestunterhalts. Bei Einkünften der Antragsgegnerin von rund 3.500 EUR, wie sie die Antragstellerin ihrem Antrag auf Trennungsunterhalt zugrunde gelegt hatte, ist auch davon auszugehen, dass die die gemeinsamen Kinder betreuende Antragsgegnerin den Differenzbetrag bis zum Mindestunterhalt ausgeglichen bzw. erbracht hatte. Insoweit ist die Vermutung gerechtfertigt, dass der Mindestunterhalt der gemeinsamen Kinder gedeckt war. Diese Vermutung hat die Antragstellerin nicht widerlegt.

Gleichwohl folgt aus dem Abzug der – auch im Verhältnis zu den unterhaltsberechtigten Kindern berücksichtigungsfähigen – Darlehensverbindlichkeiten keine anderweitige Bestimmung i.S.v. § 426 Abs. 1 BGB im Verhältnis der Beteiligten zueinander. Denn insoweit fehlt es an wechselseitigen Ansprüchen aus dem Gesamtschuldverhältnis einerseits und dem Kindesunterhalt andererseits, den allein die unterhaltsberechtigten Kinder geltend machen können. Selbst wenn der Antragsgegnerin ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch in Höhe des von ihr getragenen restlichen Kindesunterhalts zustünde (dazu unter 3.), beträfe dies nicht unmittelbar das Gesamtschuldverhältnis, sondern könnte primär eine Aufrechnungslage i.S.v. § 387 BGB begründen.

e) Da eine anderweitige Vereinbarung nicht vorliegt und sich aus dem Zweck des Darlehens kein anderer Ausgleichsmaßstab ergibt, weil die Aufnahme des Darlehens der Tilgung gemeinsam aufgenommener Schulden diente, steht der Antragstellerin dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte der von ihr erbrachten monatlichen Raten aus den Darlehensverträgen mit der Bank zu. Diese betrugen unstreitig monatlich 941,48 EUR, sodass sich ein hälftiger Betrag von 470,74 EUR errechnet. Für den im Beschwerdeverfahren – nach Teilrücknahme und Antragserweiterung – geltend gemachten Zeitraum von April 2020 bis Juni 2021 ergibt sich für 15 Monate ein Anspruch in Höhe 7.061,10 EUR. Dass die Antragstellerin auch für Juli und August 2021 noch Darlehensraten gezahlt hat, ist bei der im Juli erfolgten Veräußerung für den Senat nicht ersichtlich und auch nicht belegt, hat jedoch auf den Antrag im Beschwerdeverfahren keinen Einfluss.

Demgegenüber kann sich die Antragstellerin nicht auf die Zahlungen von monatlich 218,75 EUR sowie 185 EUR auf die Bausparverträge berufen, die nach ihrem aktualisierten Beschwerdeantrag auch nicht mehr geltend gemacht werden. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Gesamtschuld der Beteiligten nicht besteht, denn diese beiden Verträge waren allein von der Antragstellerin abgeschlossen. Darüber hinaus ist aus den Verträgen auch keine Verbindlichkeit erwachsen, weil nach der Veräußerung der gemeinsamen Immobilie die ursprünglich abgetretenen Bausparverträge auf die Antragstellerin zurückübertragen wurden.

  1. Der Anspruch der Antragstellerin ist auch nicht durch Aufrechnung gemäß §§ 388, 389 BGB erloschen. Eine Aufrechnungslage durch gegenseitige Forderungen i.S.v. § 387 BGB besteht nicht, weil der Antragsgegnerin ein Anspruch gegen die Antragstellerin hinsichtlich des Kindesunterhalts nicht zusteht.

Ein etwaig bestehender Anspruch auf höheren Kindesunterhalt steht den Kindern und nicht der Antragsgegnerin zu, die derartige Ansprüche lediglich als deren gesetzliche Vertreterin i.S.d. § 1629 Abs. 2 BGB für sie geltend machen könnte, ohne selbst Anspruchsinhaberin zu sein. Ob insoweit jedoch nach der Berechnung des Jugendamts des Landkreises R. und der in geltend gemachter Höhe erfolgten Unterhaltszahlungen der Antragstellerin noch die Verzugsvoraussetzungen für einen weitergehenden Betrag gegeben sein könnten oder ob nicht von einer Unterhaltsvereinbarung auszugehen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung durch den Senat.

Die Voraussetzungen für einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil, wenn ein Elternteil allein für den Unterhalt eines gemeinsamen Kindes aufgekommen ist, obwohl der andere dem Kind unterhaltspflichtig war. Der Anspruch ist darauf gerichtet, die Unterhaltspflicht beider Eltern gegenüber ihrem Kind entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen (vgl. BGH FamRZ 1989, 850, 851; 1994, 1102). Ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht jedoch dann nicht, wenn in einem vorangegangenen Kindesunterhaltsverfahren die Leistungsunfähigkeit des nicht betreuenden Elternteils rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 2011, 1407).

Die Beteiligten sind auf der Grundlage der Berechnung des Jugendamts des Landkreises R. vom 2.4.2020 zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin auch gegenüber den gemeinsamen Kindern die von ihr getragenen Darlehensraten einkommensmindernd geltend machen kann. Im Rahmen der beim Kindesunterhalt erforderlichen Abwägung der Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger (vgl. BGH FamRZ 2014, 923, [Rn 25 ff.]; BGH FamRZ 2022, 781 [Rn 11 ff.]) nach dem Zweck der Verbindlichkeit, Zeitpunkt und Art ihrer Entstehung sowie der Dringlichkeit der Bedürfnisse ist neben dem Einverständnis der (früheren) Ehegatten und der gemeinsamen Lebensführung vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, dass den gemeinsamen Kindern über den Darlehensabtrag die weitere Nutzung des Familienheims gewährleistet wird und damit ihr Lebensbedarf ebenfalls teilweise gedeckt wurde. Bis zur Veräußerung der gemeinsamen Immobilie ist daher von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Antragstellerin auszugehen, sodass darüber hinaus eine Unterhaltspflicht, für die die Antragsgegnerin eingestanden ist, nicht bestand. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin im hier streitigen Zeitraum die Absicht hatte, für ihre Aufwendungen von der Antragstellerin Ersatz zu fordern. Von dieser Voraussetzung ist der BGH bisher für die Zeit vor Rechtskraft der Ehescheidung ausgegangen. Die Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung durch den Senat.

Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils handelt es sich um einen Fall echter Ausfallhaftung i.S.d. § 1606 BGB (Grüneberg/ v. Pückler, BGB, 81. Aufl., § 1606 Rn 17), die keinen Unterhaltsregress zur Folge hat. Dass die Antragsgegnerin diese Situation rechtlich ebenso eingeschätzt und die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nicht erwogen hat, ergibt sich aus ihrer Beschwerdeerwiderung vom 3.3.2023, in der sie anführt, dass die Antragstellerin als „nicht einmal leistungsfähig für den Mindestunterhalt ihrer drei Kinder berechnet worden“ sei.

  1. An der Geltendmachung eines Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich ist die Antragstellerin auch nicht infolge eines widersprüchlichen oder treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) gehindert.

Zwar hat sie in dem Zeitraum von April 2020 bis (wohl) August 2021 lediglich einen reduzierten Kindesunterhalt von 442 EUR gezahlt. Diesem Betrag liegt zugrunde, dass das Einkommen der Antragstellerin um die Hauslasten von insgesamt 1.345,23 EUR reduziert wurde. In diesem Gesamtbetrag sind die Raten für die X-Darlehen von 941,48 EUR enthalten.

Wäre der Kindesunterhalt unter Berücksichtigung der um den Erstattungsanspruch reduzierten monatlichen Darlehensraten bemessen worden, hätte dies zu einer entsprechenden Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Antragstellerin geführt. Wäre daher das Einkommen der Antragstellerin von 2.947 EUR lediglich um die Beiträge auf die Bausparverträge von 403 EUR (218 EUR + 185 EUR) sowie um die hälftigen Darlehensraten von 471 EUR (942 EUR x ½) reduziert worden, hätte sich oberhalb des Selbstbehalts von 1.160 EUR eine Leistungsfähigkeit von 913 EUR ergeben. Unter diesen Umständen hätte die Antragstellerin den gemeinsamen Kindern den Mindestunterhalt von insgesamt 853 EUR zahlen können. Hiervon ist sie selbst in ihrer Antragsbegründung vom 26.3.2023 ausgegangen.

Im Grundsatz hält es der Senat für gerechtfertigt, dass die Antragstellerin nach Treu und Glauben nicht zu einem späteren Zeitpunkt Ausgleichsansprüche aus einer Gesamtschuld geltend machen kann, wenn diese bei dem zuvor geltend gemachten Kindesunterhalt in vollem Umfang berücksichtigt worden waren und zur teilweisen Leistungsunfähigkeit geführt hatten. Insofern verhält sich die Antragstellerin widersprüchlich, wenn sie einerseits ihre eingeschränkte Leistungsfähigkeit mit dem Darlehensabtrag begründet, diesen jedoch andererseits später über einen Gesamtschuldnerausgleich nachträglich reduziert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn rechtlich zweifelhaft ist, ob für den Zeitraum des Gesamtschuldnerausgleichs nachträglich höherer Unterhalt noch geltend gemacht werden kann.

Gleichwohl gelangt der Senat unter den hier obwaltenden Umständen zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin dem Ausgleichsanspruch der Antragstellerin treuwidriges Verhalten nicht entgegenhalten kann. Dies beruht entscheidend darauf, dass die Antragsgegnerin ihrerseits den berechtigten Interessen der Antragstellerin nicht gerecht wird. Durch den Darlehensabtrag hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin sowie den gemeinsamen Kindern die Nutzung der (gemeinsamen) Immobilie ermöglicht und somit deren Wohnbedarf gedeckt. In dem hier maßgeblichen Zeitraum hatte die Antragsgegnerin Zahlungen für die Nutzung des Hauses nicht erbracht. Der Aufforderung, eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, ist sie nicht nachgekommen. Ob ein dahingehender Anspruch der Antragstellerin durchsetzbar wäre, könnte unter dem Aspekt fraglich erscheinen, dass sich die Antragsgegnerin für die insoweit identischen Zeiträume auf den von ihr gedeckten restlichen Kindesunterhalt berufen könnte, den sie nach den voranstehenden Ausführungen dem Anspruch der Antragstellerin auf Gesamtschuldnerausgleich über einen Einwand nach § 242 BGB nicht entgegenhalten konnte.

Die finanziellen Verhältnisse der Beteiligten waren und sind durch eine Vielzahl wechselseitiger Zahlungs- oder Ausgleichsansprüche geprägt, deren Voraussetzungen und konkrete Höhe zwischen ihnen weiterhin streitig sind. In einer solchen Situation erscheint es nicht gerechtfertigt, einem Beteiligten treuwidriges Verhalten entgegenzuhalten, wenn ein isolierter Anspruch geltend gemacht wird und dieser dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Dabei war der Senat in der mündlichen Verhandlung bemüht, den Beteiligten eine Gesamtregelung – die bereits vom Amtsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 6.10.2021 angeregt, jedoch von der Antragsgegnerin widerrufen – unter Einbeziehung des Kindesunterhalts, des Trennungsunterhalts, eines etwaigen nachehelichen Unterhalts, möglicher güterrechtlicher Ansprüche sowie weiterer finanzieller Ausgleichsansprüche (etwa zu den geteilten Bausparverträgen) nahezubringen.

III. Der Praxistipp

Grundsätzlich kann eine anderweitige Bestimmung im Sinne von § 426 BGB auch darin bestehen, dass die Darlehensverpflichtung in die Berechnung eines Anspruchs auf Ehegattenunterhalt eingeflossen ist. Eine auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ehegatten einkommensmindernd zu berücksichtigende Verbindlichkeit führt zu einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs und damit finanziell zu einer Beteiligung des Unterhaltsberechtigten, weil die Reduzierung des Unterhaltsanspruchs wirtschaftlich nahezu dem hälftigen Schuldenabtrag entspricht.

Dies gilt jedoch nicht für den Fall, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte den ursprünglich geltend gemachten Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht weiterverfolgt, sodass es zwischen den Beteiligten zu einem Ausgleich der Darlehensverbindlichkeiten auf diesem Wege gerade nicht kommt. Insbesondere kann eine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 BGB, die die grundsätzliche Haftung von Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen im Innenverhältnis verdrängt, nicht darin gesehen werden, dass die vom Unterhaltsschuldner allein getragenen Darlehensraten bei der Bemessung des Kindesunterhalts insgesamt einkommensmindernd berücksichtigt worden sind.

Das OLG Celle macht deutlich, dass die rechtliche Beurteilung einer Gesamtschuld bei der Berechnung eines Anspruchs auf Ehegattenunterhalt nach der Rechtsprechung des BGH auf die Inanspruchnahme des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners bei der Bemessung von Kindesunterhalt nicht übertragen werden kann.