1. Die isolierte Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsanspruch hinsichtlich des Trennungsunterhalts ist grundsätzlich nicht mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO.
2. Bei einem zum Zeitpunkt der Antragseinreichung aufgelaufenen – streitwerterhöhenden – Unterhaltsrückstand hat die Prüfung der Mutwilligkeit den jeweiligen Einzelfall in den Blick zu nehmen. Mutwilligkeit scheidet aus, wenn nachvollziehbare und billigenswerte Gründe für ein Zuwarten mit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs vorliegen.
BGH, Beschl. v. 5.4.2023 – XII ZB 2/21
I. Der Fall
Gegenstand des Verfahrens ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Trennungsunterhalt.
Die Beteiligten schlossen in 07/2016 die Ehe und trennten sich in 12/2017. Zu Beginn des Jahres 2018 erhob die Antragstellerin vor dem Amtsgericht ohne Beantragung von Verfahrenskostenhilfe einen isolierten Auskunftsantrag. Nach Erteilung der Auskunft durch den Antragsgegner erklärten die Beteiligten das Verfahren für erledigt, worauf die Verfahrenskosten dem Antragsgegner auferlegt wurden.
Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung ausschließlich rückständigen Trennungsunterhalts für die Zeit von 01/2018 bis 12/2019 beantragt. Das Familiengericht hat der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt, soweit nicht Verfahrenskostenhilfe bereits im vorangegangenen Auskunftsverfahren bewilligt und abgerechnet wurde; zudem hat es die Verfahrenskostenhilfe der Höhe nach auf drei Monate (01 bis 03/2018) begrenzt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht die Verfahrenskostenhilfe unter Anrechnung der im vorangegangenen Auskunftsverfahren abgerechneten Gebühren bewilligt und diese auf einen Verfahrenswert von 6.782 EUR (Rückstand von 01 bis 05/2018 und alsdann 12 Monate) begrenzt.
Dagegen haben die Antragstellerin und ihr erstinstanzlicher Verfahrensbevollmächtigter (Beschwerdeführer zu 2) die zugelassenen Rechtsbeschwerden eingelegt, mit welchen sie die vollumfängliche Verfahrenskostenhilfebewilligung erstreben. Die Ehe der Beteiligten ist inzwischen rechtskräftig geschieden.
II. Die Entscheidung
Der 12. Senat des BGH hält die Rechtsbeschwerde sowohl für zulässig als auch begründet. Zur Begründung führt er folgendes aus:
1. Die Rechtsbeschwerden sind gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 574 ZPO statthaft, weil das Beschwerdegericht sie nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2
Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens oder der persönlichen Voraussetzungen der Bewilligung geht. Das ist hier indes der Fall, da die Antragstellerin geltend macht, die Beurteilung ihrer Rechtsverfolgung als mutwillig sei nicht gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer zu 2 ist hinsichtlich seiner Rechtsbeschwerde ebenfalls beschwerdeberechtigt. Zwar ist der beizuordnende Rechtsanwalt gegen eine Versagung der Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich nicht beschwerdeberechtigt. In bestimmten Fällen steht ihm aber ausnahmsweise ein eigenes Beschwerderecht zu, wenn seine eigene Rechtsstellung betroffen ist, wie z.B. bei der Beiordnung unter eingeschränkten Bedingungen. Das ist im vorliegenden Fall in zweifacher Hinsicht gegeben. Zum einen ist nach dem Ausspruch des Beschwerdegerichts die Anwaltsvergütung aus dem gesonderten Auskunftsverfahren auf die dem Beschwerdeführer zu 2 zustehenden Gebühren anzurechnen, erhält dieser also weniger, als ihm aufgrund der Beiordnung im vorliegenden Verfahren zusteht. Das gleiche gilt zum anderen im Hinblick auf die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Einschränkung auf einen niedrigeren Verfahrenswert. Da sich diese nicht eindeutig einem Teil des streitgegenständlichen Unterhalts zuordnen lässt, ist der Beschwerdeführer zu 2, wie die Rechtsbeschwerden mit Recht vorbringen, ohne Beschränkung auf einen Teil des Streitgegenstands beigeordnet, kann aber nur einen geringeren Teil seiner Gebühren geltend machen.
2. In der Sache haben die Rechtsbeschwerden Erfolg.
a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Verfahrenskostenhilfegesuch sei (teilweise) mutwillig.
Die Antragstellerin habe ihren (vorbereitenden) Auskunftsanspruch einerseits und den Zahlungsanspruch andererseits in getrennten Verfahren geltend gemacht und damit ohne erkennbaren Grund die Kosten durch Führung zweier Verfahren erhöht. Ein verständiger Anspruchsteller, der die Verfahrenskosten aus eigenen Mitteln tragen müsse, hätte in dieser Situation entweder von vornherein einen Stufenantrag gestellt oder aber den Zahlungsanspruch im Wege der Antragserweiterung im bereits anhängigen Auskunftsverfahren geltend gemacht. Die Gründe, mit denen die Antragstellerin ihre Vorgehensweise zu verteidigen versuche, seien nicht überzeugend. Es möge zwar zutreffen, dass etwaige Unsicherheiten über Grund und Höhe des Unterhaltsanspruches dem Anspruchsteller im Einzelfall Anlass geben könnten, zunächst (nur) einen isolierten Auskunftsantrag zu stellen. Nach Erteilung der Auskunft sei es dem Unterhaltsgläubiger dann aber möglich und zumutbar, die Ansprüche im Wege der Antragserweiterung im laufenden Verfahren geltend zu machen anstatt ein neues, mit zusätzlichen Kosten verbundenes Verfahren anzustrengen. Konkrete Gründe, warum der Anspruch auch nach vollständiger Auskunftserteilung nicht (oder nicht gleich) bezifferbar gewesen sein sollte, seien nicht ersichtlich. Ein anderes Ergebnis lasse sich auch nicht mit der Erwägung begründen, durch eine Antragserweiterung hätte die Antragstellerin den Kostenerstattungsanspruch im Auskunftsverfahren verloren, weil sich die Kostenerstattung dann nach dem Ergebnis der Hauptsache richte. Das Kostenrisiko bestehe im Falle eines (Teil-)Unterliegens unabhängig davon, ob der bezifferte Antrag im bereits anhängigen oder in einem neuen Verfahren geltend gemacht werde. Im Übrigen sehe ein verständiger, kostenbewusster Unterhaltsgläubiger auch dann von der Aufspaltung seines Rechtsschutzziels in zwei Hauptsacheverfahren ab, wenn er sich in Bezug auf die hierdurch verursachten Mehrkosten ganz oder teilweise im Kostenfestsetzungsverfahren beim Unterhaltsschuldner schadlos halten könne. Darüber hinaus sei die Rechtsverfolgung auch deshalb mutwillig, weil die Antragstellerin ohne erkennbaren Grund nach übereinstimmender Erledigungserklärung in 04/2018 mehr als zwei Jahre mit der Stellung eines bezifferten Antrages zugewartet habe. Mit dieser Vorgehensweise habe sie dafür gesorgt, dass sämtliche Unterhaltsansprüche gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG in die Berechnung des Verfahrenswertes einflössen, wodurch der Verfahrenswert und damit die Verfahrenskosten merklich erhöht würden. Ein verständiger, kostenbewusster Unterhaltsgläubiger, der die Verfahrenskosten selbst zu tragen habe, hätte dagegen seine Ansprüche zeitnah nach Erhalt der Auskunft beziffert, mit der Folge, dass der Verfahrenswert für die laufenden Unterhaltsansprüche gemäß § 51 Abs. 1 FamGKG auf die Summe der Ansprüche für die ersten zwölf Monate nach Antragseinreichung begrenzt werde.
b) Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nach der Legaldefinition des § 114 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, wenn eine Partei, die keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Das verfahrensrechtliche Vorgehen der Antragstellerin war nicht mutwillig in diesem Sinne.
aa) Dies gilt zum einen für die Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsanspruch in zwei getrennten Verfahren.
(1) Stehen mehrere prozessuale Wege der Rechtsverfolgung zur Verfügung, so handelt nach der Rechtsprechung des Senats nur mutwillig, wer den Weg beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist. Für die Beurteilung der Mutwilligkeit kommt es nicht auf die insgesamt anfallenden Kosten, sondern darauf an, ob eine nicht bedürftige Partei aus Kostengesichtspunkten von der getrennten Geltendmachung in der Regel absehen würde. Eine kostenbewusste vermögende Partei wäre aber in erster Linie auf die allein sie treffenden Kosten bedacht. Deshalb ist auch für die Frage, ob eine Rechtsverfolgung aus Kostengründen mutwillig ist, hierauf abzustellen. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist.
(2) Nach diesen Maßstäben ist die – hier ohne Inanspruchnahme von Verfahrenskostenhilfe erfolgte – isolierte Erhebung eines Auskunftsantrags nicht als mutwillig anzusehen. Nichts anderes gilt dafür, dass die Antragstellerin den Antrag nach Erteilung der Auskunft nicht zu einem Stufenantrag erweitert hat.
(a) Zwar hätte die Erhebung eines Stufenantrags zur Folge, dass insgesamt geringere gerichtliche und außergerichtliche Verfahrenskosten entstehen als bei sukzessiver Anspruchsverfolgung in getrennten Verfahren. Da aber maßgeblich auf die Perspektive des rechtsuchenden Beteiligten abzustellen ist, kommt es nach der genannten Senatsrechtsprechung entscheidend darauf an, ob ein nicht bedürftiger Beteiligter im Hinblick auf die allein ihn treffenden Kosten von der isolierten Geltendmachung des Auskunftsanspruchs absehen würde. Davon kann entgegen dem Beschwerdegericht jedenfalls nicht grundsätzlich ausgegangen werden, sondern allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände.
(b) Hier liegen keine Umstände vor, aus denen sich von vornherein eine höhere Belastung mit eigenen Kosten ergibt. Vielmehr lassen sich auch gute Gründe für eine isolierte Geltendmachung des Auskunftsanspruchs anführen. Dazu gehört vor allem die Erwägung, dass sich das Kostenrisiko eines isolierten Auskunftsantrags in der Regel verlässlich prognostizieren lässt. Hat der Antragsgegner vorgerichtlich auf eine entsprechende Aufforderung keine Auskunft erteilt, werden ihm – abgesehen vom Fall, dass die begehrte Auskunft ausnahmsweise für den Unterhaltsanspruch offensichtlich unerheblich ist – in der Regel die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dies erfolgt im Unterschied zum Stufenantrag ohne Rücksicht darauf, ob sich aus der Auskunft ein Unterhaltsanspruch ergibt. Dass das Gericht bei der Kostenentscheidung nach § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG eine nicht erteilte Auskunft des Antragsgegners zu berücksichtigen hat, befreit den Antragsteller vom Kostenrisiko nicht in gleichem Maße wie beim isolierten Auskunftsantrag.
Im vorliegenden Fall ist das Auskunftsverfahren von der Antragstellerin noch auf eigene Kosten geführt worden. Die Kosten des Auskunftsverfahrens sind dem Antragsgegner auferlegt worden, sodass die Antragstellerin insbesondere nicht mit Anwaltskosten belastet worden ist.
(c) Die Antragstellerin war entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch nicht ohne Weiteres gehalten, ihren Auskunftsantrag nach Erteilung der Auskunft um einen Zahlungsantrag (ggf. verbunden mit einem vorgeschalteten Antrag auf eidesstattliche Versicherung) zu einem Stufenantrag zu erweitern. Ein solches Vorgehen kommt ohnedies nur in Betracht, wenn die Auskunft freiwillig erteilt wird. Ergeht ein Beschluss über die Verpflichtung zur Auskunft, so besteht für eine nachträgliche Antragserweiterung nach Abschluss des Verfahrens keine Möglichkeit mehr. Auch für den Fall der freiwilligen Auskunftserteilung muss für den Antragsteller aber eine ausreichende Überlegungszeit zur Verfügung stehen, um insbesondere den Unterhaltsanspruch zu berechnen, wie sie auch das Beschwerdegericht der Antragstellerin in anderem Zusammenhang mit Recht zugebilligt hat.
Abgesehen davon, dass von einer Mutwilligkeit nur bei Vorliegen besonderer Umstände ausgegangen werden kann, hat die Antragstellerin zudem plausible Gründe genannt, die das von ihr gewählte Vorgehen nachvollziehbar erscheinen lassen. So fanden nach Abschluss des Verfahrens auf Auskunft zwischen den Beteiligten noch Vergleichsgespräche statt und endete die betreffende Korrespondenz erst im April 2019. Zudem war die Unterhaltsfrage gleichzeitig Gegenstand des Scheidungsverfahrens und kam – jedenfalls für den rückständigen Trennungsunterhalt – eine zusammenfassende einvernehmliche Regelung in Betracht, die das Verfahren zum Trennungsunterhalt überflüssig gemacht hätte.
(3) Ob und ggf. inwiefern darüber hinaus auch die von den Rechtsbeschwerden gegen die Anrechnungsbestimmung des Beschwerdegerichts vorgebrachten Beanstandungen berechtigt sind, bedarf demnach im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
bb) Zum anderen entspricht auch die vom Beschwerdegericht vorgenommene Beschränkung der Verfahrenskostenhilfebewilligung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände nicht den nach § 114 Abs. 2 ZPO anzulegenden Maßstäben.
(1) Zwar erhöht das Auflaufen von Rückständen wegen der mit der Hinzurechnung nach § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG verbundenen Streitwerterhöhung das Kostenrisiko des bedürftigen Beteiligten für ein künftiges Verfahren. Ein nicht bedürftiger Beteiligter wird also im eigenen Interesse darauf bedacht sein, ein übermäßiges Anwachsen des Streitwerts zu vermeiden. Daraus folgt aber noch nicht, dass jedwedes Zuwarten mit der gerichtlichen Geltendmachung den Vorwurf der Mutwilligkeit begründet. Vielmehr werden in der Praxis mit einem Antrag auf laufenden Unterhalt regelmäßig bis zur Antragseinreichung bzw. Einreichung des Verfahrenskostenhilfeantrags bereits aufgelaufene Rückstände geltend gemacht. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist für einzelne Fallkonstellationen Mutwilligkeit angenommen worden, so etwa für die wiederholte Geltendmachung von Volljährigenunterhalt für jeweils abgegrenzte Zeiträume statt fortlaufend für die Zukunft oder für die verzögerte Anhängigmachung eines Abänderungsantrags auf Unterhaltsherabsetzung.
Ob und ggf. inwiefern diese Rechtsprechung im Einzelnen mit den vorgenannten Grundsätzen zu vereinbaren ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn abgesehen von dem Fall, dass die Art der Anspruchsgeltendmachung als von vornherein nicht nachvollziehbar und ohne Grund kostenerhöhend erscheint, hat die Prüfung der Mutwilligkeit den jeweiligen Einzelfall in den Blick zu nehmen. Mutwilligkeit scheidet dabei aus, wenn nachvollziehbare und billigenswerte Gründe für ein Zuwarten mit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs vorliegen.
(2) Im vorliegenden Fall ist die Annahme einer Mutwilligkeit nicht berechtigt.
Die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe vermögen – wie schon das Absehen von einer nachträglichen Erweiterung des Auskunftsantrags zu einem Stufenantrag – auch die erst spätere Geltendmachung des Trennungsunterhalts noch zu rechtfertigen. Da nach Abschluss des Verfahrens auf Auskunft zwischen den Beteiligten noch Vergleichsgespräche stattfanden und die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen parallel Gegenstand des Scheidungsverfahrens waren, liegen beachtliche Gründe für ein weiteres Zuwarten vor. Ob dies auch für ein etwaiges weiteres Verfahren über andere Zeiträume gelten würde, bedarf hier keiner Entscheidung.