Die Antragstellerin und der Antragsgegner, beide Jahrgang 1969, haben in 2006 geheiratet. Aus ihrer Ehe sind die Kinder A, geboren in 2002, und B, geboren in 2005, hervorgegangen. Seit spätestens 12/2012 leben die Eheleute voneinander getrennt, wobei die Kinder zunächst im mütterlichen Haushalt blieben. Das Scheidungsverfahren ist seit 10/2013 rechtshängig.
In dem vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin, die berufstätig ist, den Antragsgegner, der eine Landwirtschaft betreibt, mit Antragsschrift vom 29.10.2013 auf Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt in Anspruch genommen.
Die Beteiligten haben u.a. über die Höhe der beiderseitigen Einkünfte, den Ansatz eines Pkw-Nutzungs- und eines Wohnvorteils (bei einem der Höhe nach unstreitig gestellten Wohnwert von mtl. 500 EUR) auf Seiten des Antragsgegners, die Höhe verschiedener Abzugsposten sowie die wechselseitigen Anteile an der Betreuung der Kinder gestritten. Im Termin vom 11.4.2014 hat der Antragsgegner die Unterhaltsansprüche für die Zeit ab 02/2013 in Höhe von mtl. je 291 EUR Regelbedarf und 37 EUR Mehrbedarf für die Kinder und mtl. 163 EUR Trennungsunterhalt anerkannt, so dass ein entsprechender Teilanerkenntnisbeschluss erging. Hiergegen legte der Antragsgegner Beschwerde ein mit der Begründung, dass aufgrund zwischenzeitlich bekannt gewordener Rechtsprechungsänderung (Beschluss des BGH vom 12.3.2014, Az.: XII ZB 234/13) weitere Abzüge beim Kindesunterhalt gerechtfertigt seien, da er im Rahmen des erweiterten Umgangs und weil die Antragstellerin den Kindern nahezu ausschließlich gebrauchte Kleidung kaufe, erhebliche Leistungen erbringe, die anzurechnen seien; außerdem sei die Antragstellerin angesichts des Alters der Kinder nunmehr ohnehin gehalten, mehr als nur halbschichtig zu arbeiten und hätten sich seine Einkünfte aus der Landwirtschaft im Jahr 2012 weiter reduziert. Die Antragstellerin trat dem u.a. mit der Behauptung entgegen, dass insbesondere der gemeinsame Sohn therapiebedürftig sei.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben zu der Frage, „welche finanziellen Mittel und welche wirtschaftlichen Vorteile“ dem Antragsgegner von 01/2013 bis 06/2016 „zum Lebensunterhalt zur Verfügung“ gestanden haben und ob die „Mittel ausschließlich aus den Erträgen des Betriebes oder durch Kredite bzw. andere Drittmittel aufgebracht“ worden sind, durch Einholung eines Gutachtens des Diplom Finanzwirtes C, der in seinem Gutachten vom 28.9.2018 für den vorgenannten Zeitraum zu einem „durchschnittlichen Monatseinkommen nach Berücksichtigung von Steuerzahlungen und Vorsorgeaufwendungen“ von rund 2.849 EUR gelangt.
Für die Zeit ab 02/2016 gehen die Beteiligten von einem paritätischen Wechselmodell aus, wobei das Amtsgericht der Antragstellerin mit Beschl. v. 17.5.2016 die Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen übertragen hat. Die Antragstellerin hat zwischenzeitlich ihre Arbeitstätigkeit aufgestockt. Der Antragsgegner hat zusätzlich geltend gemacht, dass Trennungsunterhaltsansprüche verwirkt seien, weil die Antragstellerin im Jahr 2012 aus der Ehe ausgebrochen sei und sich einem neuen Partner zugewandt habe, mit dem sie im Sommer 2013 einen Campingurlaub verbracht habe und der seit 08/2014 bei ihr wohne. Infolge der in 2020 eingetretenen Volljährigkeit der Tochter hat die Antragstellerin den diesbezüglichen Unterhaltsanspruch unter Vorlage einer Abtretungserklärung auf die Zeit bis dahin beschränkt; hinsichtlich des Trennungsunterhalts hat sie behauptet, dass sie erst seit 2017 mit ihrem Freund fest zusammen sei.
Mit Beschl. v. 30.4.2021 hat das Amtsgericht den Antragsgegner über die mit Teilanerkenntnisbeschluss vom 11.4.2014 titulierten Unterhaltsbeträge hinaus zur Zahlung von rückständigem Kindesunterhalt für die Tochter A in Höhe von 3.094 EUR, für den Sohn B in Höhe von 1.965 EUR sowie von rückständigem Trennungsunterhalt in Höhe von 13.751 EUR „nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ – ohne Bestimmung eines Einsatzzeitpunktes für die Verzinsung – bestimmt, wobei sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass sich die Beträge hinsichtlich des Kindesunterhalts auf die Zeit von 02/2013 bis 01/2016 beziehen und bezüglich des Trennungsunterhalts auf die Zeit von 02/2013 bis 12/2015; die weitergehenden Anträge wurden zurückgewiesen. Bei der Berechnung der Höhe der Unterhaltsansprüche ist die Vorinstanz von Einkünften des Antragsgegners in Höhe von mtl. 2.849 EUR zzgl. 500 EUR Wohnvorteil für die Nutzung der Wohnung im landwirtschaftlichen Betrieb = 3.349 EUR ausgegangen und hat sie für den vorgenannten Zeitraum hinsichtlich des Kindesunterhalts die Beträge den entsprechenden Altersstufen der jeweils geltenden Düsseldorfern Tabellen entnommen, ausgehend von der Einkommensgruppe 6 mit Herabstufung in die Einkommensgruppe 5 wegen insgesamt drei Unterhaltspflichten. Für die Zeit von 02/2016 bis 08/2016 wird in dem Beschluss ausgeführt, dass angesichts des nunmehr praktizierten Wechselmodells und unter Berücksichtigung der beiderseitigen Einkommen der Eltern trotz des Umstandes, dass der Antragstellerin weniger als der angemessene Selbstbehalt von mtl. 1.300 EUR zur Verfügung gestanden habe, jedenfalls keine über das abgegebene Teilanerkenntnis hinausgehenden Zahlungen mehr geschuldet gewesen seien. Bezüglich des Trennungsunterhalts ist das Amtsgericht von den beiderseitigen Einkünften ausgegangen und hat es eine Erwerbsobliegenheitsverletzung der Antragstellerin mit der Begründung verneint, dass sie als seinerzeit alleinerziehende Mutter von zwei minderjährigen Kindern nicht gehalten gewesen sei, mehr als halbschichtig zu arbeiten und sich im Übrigen aus der vorgelegten Bescheinigung ergebe, dass ihr Arbeitgeber eine Aufstockung abgelehnt habe, wobei ein Arbeitsplatzwechsel angesichts des langjährigen Beschäftigungsverhältnisses nicht zumutbar gewesen wäre. Den Verwirkungseinwand hat das Amtsgericht zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, dass das diesbezügliche Vorbringen des Antragsgegners unsubstantiiert sei und sich allein aus einem unstreitigen gemeinsamen Campingurlaub noch keine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung zu § 1579 Nr. 2 BGB ergebe.
II. Die Entscheidung
Das OLG Frankfurt hat insoweit der zulässigen Beschwerde teilweise Erfolg zugesprochen. Im Einzelnen führt es zur Begründung folgendes aus:
1. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin für die Betreuung der Kinder in der Zeit von 02/2013 bis 01/2016 von dem Antragsgegner rückständigen Kindesunterhalt gemäß §§ 1601 ff. BGB im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach Eintritt des Wechselmodells bzgl. des Sohnes und aus gemäß § 398 BGB abgetretenem Recht hinsichtlich der inzwischen volljährigen Tochter verlangen kann. Darüber hinaus hat die Vorinstanz zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin dem Grunde nach Trennungsunterhalt aus § 1361 BGB schuldet. Nach dieser Vorschrift kann ein Ehegatte im Falle der Trennung von dem anderen Ehegatten den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen angemessenen Unterhalt verlangen.
2. In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht geht auch der Senat auf Seiten des Antragsgegners von Einkünften in Höhe von monatlich 2.849 EUR aus.
[Ausführungen zum Gutachten zur Einkommensermittlung]
Soweit das Amtsgericht den der Höhe nach unstreitigen Wohnvorteil von mtl. 500 EUR in Ansatz gebracht hat, ist dies aus den in dem angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen nicht zu beanstanden. Die amtsgerichtlichen Ausführungen sind entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch nicht in sich widersprüchlich; vielmehr ist die private Nutzung der Betriebsleiterwohnung durch den Antragsgegner aus unterhaltsrechtlicher Sicht ein ihm zugutekommender geldwerter Vorteil, der – anders als der Pkw-Nutzungsvorteil – in dem Gutachten nicht als solcher berücksichtigt worden ist.
Hinsichtlich der sich aus dem bereinigten Nettoeinkommen ergebenden Kindesunterhaltsbeträge entsprechend der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle nach der Altersstufe zwei für beide Kinder bis einschließlich 10/2014 und drei ab 11/2014 bezüglich A ist für die Zeit bis 3/2014 eine Herabstufung nicht nur um eine Einkommensgruppe – weil insgesamt drei Unterhaltsberechtigte vorhanden waren – vorzunehmen, sondern um insgesamt zwei Einkommensgruppen.
Der Antragsgegner hat nämlich nunmehr im zweiten Rechtszug unter Vorlage der Umgangsvereinbarung vom 14.3.2014 nebst „Anlage Kalender 2014“ sowie des außergerichtlichen Schreibens des Rechtsanwalts E vom 7.11.2014 nebst „Anlage Kalender 2015“ substantiiert und insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass jedenfalls ab 03/2014 kein reines Residenzmodell mehr gelebt worden ist, vielmehr ergibt sich aus den Kalendern für die Zeit ab 03/2014 ein Betreuungsanteil des Antragsgegners von 42 % und für 2015 ein solcher von 44 %. Kosten, die dem Umgangsberechtigten durch die Ausübung eines solchen deutlich über das übliche Maß hinausgehenden Umgangs entstehen, schränken dessen Leistungsfähigkeit ein und sind daher für die Lebensstellung des Kindes bedeutsam. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats rechtfertigt dies vorliegend unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls die Herabstufung um eine weitere Einkommensgruppe. Weil der Verwirkungseinwand des Antragsgegners, wie noch darzulegen sein wird, für die Zeit ab 03/2015 greift, entfällt ab diesem Zeitpunkt die aufgrund der Anzahl der Unterhaltsberechtigten erfolgte Herabstufung.
3. Bei der Berechnung des Erwerbstätigenbonus, den der Senat in Hinblick auf die Entscheidungen des BGH v. 13.11.2019 (XII ZB 3/19) und v. 15.12.2021 (XII ZB 557/20) auch vorliegend mit 1/10 bemisst, ist zu berücksichtigen, dass der Erwerbsanreiz sich nur auf das Einkommen aus Arbeitstätigkeit bezieht (vgl. Unterhaltsgrundsatz Nr. 15.2 des OLG Frankfurt a.M.), weshalb insoweit zwischen dem Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit einerseits und dem zuzurechnenden Wohnvorteil andererseits zu differenzieren ist.
Hinsichtlich des auf Seiten der Antragstellerin in die Berechnung einzustellenden Nettoeinkommens ist der Senat mit dem Amtsgericht der Auffassung, dass der Antragstellerin über die im fraglichen Zeitraum tatsächlich erzielten Einkünfte hinaus keine weiteren Einnahmen (fiktiv) zuzurechnen sind.
Eine Erwerbsobliegenheitsverletzung ist der alleinerziehenden und halbschichtig tätigen Mutter angesichts des Alters der Kinder von seinerzeit 7 bis 10 Jahren (B) und 10 bis 13 Jahren (A) nicht vorzuwerfen, zumal, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, hinsichtlich des Sohnes kindbezogene Gründe (Ergo- und Psychotherapie) vorgetragen und belegt worden sind. Daran ändert auch der neue Vortrag des Antragsgegners hinsichtlich der erhöhten Betreuungsanteile ab 03/2014 nichts, weil die Hauptlast der Betreuung weiterhin bei der Antragstellerin lag. Soweit der Antragsgegner eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin daraus herzuleiten versucht, dass sie „aus der Ehe ausgebrochen“ sei und alsbald ihre Beziehung zu ihrem neuen Freund verfestigt habe, handelt es sich um Gesichtspunkte, die in erster Linie im Rahmen der Verwirkung Bedeutung erlangen und hinsichtlich der Frage der Erwerbsobliegenheit allenfalls zu einer Annäherung der unterschiedlichen Maßstäbe bei Trennungs- und nachehelichem Unterhalt führen (vgl. Unterhaltsgrundsätze 17.1 und 17.2), wobei es für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum aus den dargelegten Gründen dabei bleibt, dass eine fiktive Veranlagung nicht gerechtfertigt erscheint.
Auch hinsichtlich des bei der Antragstellerin zu berücksichtigenden Erwerbstätigenbonus ist einer Differenzierung erforderlich, und zwar zwischen einerseits den Einkünften aus Erwerbstätigkeit und andererseits denjenigen aus Kapitalvermögen (Unterhaltsgrundsatz Nr. 10.2.1).
In Hinblick auf die inzwischen ergangene Entscheidung des BGH v. 29.9.2021 (XII ZB 474/20) und die weitere Entscheidung v. 15.2.2017 (XII ZB 201/16) ist, soweit vorliegend für die Zeit von 02/2013 bis 02/2014 von der Praktizierung eines Residenzmodells auszugehen ist, zugunsten des betreuenden Elternteils ein ungedeckter Naturalkindesunterhaltsbedarf in Abzug zu bringen, der ermittelt wird durch Bildung der Differenz des Zahlbetrages nach der Düsseldorfer Tabelle aus dem gemeinsamen Einkommen der Eltern und dem von dem barunterhaltspflichtigen Elternteil nach seinem eigenen Einkommen zu zahlenden geringeren Betrag. Hieraus resultiert vorliegend ein Betrag von jeweils mtl. 135 EUR pro Kind (Unterschied zwischen dem tatsächlichen Zahlbetrag von 327 EUR und dem fiktiven Zahlbetrag aus dem gemeinsamen Elterneinkommen von 462 EUR). Entgegen der von dem Antragsgegner vertretenen Ansicht beschränkt sich die Anrechnung nicht auf Fälle außergewöhnlich guter Einkommensverhältnisse.
4. Der von dem Antragsgegner erhobene Verwirkungseinwand führt zu einer Versagung des Trennungsunterhaltsanspruchs für die Zeit ab 04/2015.
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass jedenfalls seit dem Zusammenzug der Antragstellerin mit dem Zeugen D Mitte 03/2015 von dem Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Sinne des Gesetzes, bei der die Partner ihre Lebensverhältnisse aufeinander abgestellt haben und eine auf Dauer angelegte Verbindung unterhalten, auszugehen ist. Der Verwirkungsgrund nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB sanktioniert kein vorwerfbares Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten, sondern knüpft vielmehr an eine rein objektive Gegebenheit an und berücksichtigt eine Veränderung in den Lebensverhältnissen des Unterhaltsbedürftigen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung des getrenntlebenden Ehegatten unzumutbar erscheinen lässt, weil sich die neue Beziehung in einem solchen Maß verfestigt hat, dass sie als eheähnlich anzusehen ist.
Dabei kommt es bei der Beurteilung, ob von einer verfestigten Lebensgemeinschaft ausgegangen werden kann, auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei das Führen eines gemeinsamen Haushaltes zwar ein starkes Indiz, jedoch nicht unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen einer solchen Lebensgemeinschaft ist. Vielmehr kann von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auch dann ausgegangen werden, wenn die Partner zwar in getrennten Wohnungen leben und auch wirtschaftlich nicht miteinander verflochten sind, sie aber nach außen für jedermann erkennbar wie ein Paar auftreten und sich ihre Gemeinschaft nach dem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit wie ein eheliches Zusammenleben darstellt. Indizien hierfür sind insbesondere gemeinsame Freizeitgestaltungen – zumal unter Einbeziehung der Kinder – und Urlaube, gemeinsames Verbringen von Wochenenden, hohen Festtagen und Geburtstagen, gemeinsames Erscheinen im Freundeskreis und gemeinsames Erscheinen in öffentlichen Anzeigen. Fest steht nunmehr, dass die Antragstellerin und der Zeuge D spätestens im 09/2012 einander kennengelernt haben, der Zeuge sich wegen der Antragstellerin zum Schuljahr 2014/2015 nach … hat versetzen lassen und beide spätestens am 15.3.2015 eine neu angemietete Wohnung in … bezogen haben. Ab diesem Zeitpunkt war der Verwirkungstatbestand erfüllt. Damals waren die Antragstellerin und der Zeuge D seit über zwei Jahren ein Paar, hatten sie bereits Urlaube, auch mit den Kindern der Beteiligten, miteinander verbracht und ihre Lebensplanung, wie die Versetzung zeigt, auch in beruflicher Hinsicht aufeinander abgestimmt. Da man nicht täglich von … nach … pendeln kann und der Zeuge vor dem 12.3.2015 auch keine eigene Wohnung in … angemeldet hatte, ist davon auszugehen, dass er spätestens ab 02/2015 in der damaligen Mietwohnung der Antragstellerin in der … Straße übernachtet hat. Ab dem Zusammenwohnen des Paares in der gemeinsam angemieteten Wohnung und somit seit dem 12.3.2015 und damit 2 ½ Jahren nach dem Kennenlernen, geht der Senat in Kombination mit der beruflichen Neuorientierung des Zeugen von einer hinreichenden Verfestigung der Beziehung, wie sie von der Rechtsprechung für die Bejahung des Verwirkungstatbestands gefordert wird, aus. Soweit der Antragsgegner sich in seiner Stellungnahme zur Zeugenvernehmung dahingehend geäußert hat, dass die Antragstellerin und der Zeuge D voneinander abweichende Angaben zum Kennenlernen gemacht hätten, weil es sich bei der fraglichen Geburtstagsfeier im Gebiet1 nach den Bekundungen des Zeugen D um die Feier seines besten Freundes gehandelt hat, während die Antragstellerin von der Feier einer Freundin berichtet hatte, schließen sich beide Schilderungen zum einen nicht unbedingt aus und gibt es im Übrigen Anhaltspunkte für einen früheren Beziehungsbeginn als 09/2012 ohnehin nicht. Weil es sich vorliegend gemäß §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG um eine Familienstreitsache handelt und demzufolge nicht der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, sondern der Beibringungsgrundsatz, sieht sich der Senat auch nicht gehalten, wie von dem Antragsgegner angeregt eine Auskunft beim staatlichen Schulamt einzuholen um herauszufinden, ob der Zeuge D entgegen seiner Aussage möglicherweise schon vor dem 1.2.2015 an die X-Schule versetzt worden war, zumal für den Senat in rechtlicher Hinsicht entscheidend die Kombination aus Versetzung plus Anmietung einer gemeinsamen Wohnung ist. Eine diesbezügliche Falschaussage des Zeugen wäre unterhaltsrechtlich unerheblich und allein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Aussagedelikts (§ 153 StGB), was ggf. von der hierfür zuständigen Strafverfolgungsbehörde, nicht aber von dem Senat, zu untersuchen wäre.
Im Rahmen der durchzuführenden Billigkeitsabwägung erscheint die Versagung weiterer Trennungsunterhaltszahlungen für die Zeit ab 04/2015 auch angesichts der beiderseitigen Einkommensverhältnisse angemessen, zumal die Antragstellerin durchweg über eigene (bereinigte) Einkünfte oberhalb ihres notwendigen Bedarfs (von damals mtl. 1.200 EUR) verfügte und sie zudem nunmehr einen leistungsfähigen Partner, der zumindest die hälftigen Mietkosten übernehmen konnte, an ihrer Seite hatte. Der Umstand, dass die Antragstellerin unter Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht eindeutig falschen Vortrag gehalten hat, indem sie schriftsätzlich zunächst angab, erst ab 2017 mit dem Zeugen in einer Beziehung gelebt zu haben, ist ein weiterer Aspekt, der für die Annahme von Unzumutbarkeit weiterer Unterhaltszahlungen ab 04/2015 streitet.
5. Aus diesem Grund bleibt es bei dem von dem Amtsgericht für den Zeitraum 02/2013 bis 03/2015 zugesprochenen Betrag von insgesamt 10.232 EUR (6.556 EUR für 2013 + 7.002 EUR für 2014 + 3 x 564 EUR für die ersten drei Monate des Jahres 2015 abzüglich 5.018 EUR (193 EUR x 26 Monate). Der Umstand, dass dieser Betrag aufgrund der zum Teil abweichenden Berechnungen des Amtsgerichts zur Anspruchshöhe und zusätzlich infolge eines Versehens bei der Ermittlung der Höhe der bereits titulierten Ansprüche (ausgehend von mtl. 193 EUR anstelle von mtl. 163 EUR entsprechend dem Teilanerkenntnisbeschluss v. 11.4.2014) hinter den nach Ansicht des Senats der Antragstellerin für den vorgenannten Zeitraum zustehenden Ansprüchen bleibt, führt nicht dazu, quasi „im Gegenzug“ doch Ansprüche auch über 03/2015 hinaus als nicht verwirkt anzusehen (mit der weiteren Konsequenz, dass sich die Kindesunterhaltsansprüche wegen dann insgesamt drei Unterhaltsberechtigten reduzieren würden). Insoweit hält der Senat an seiner mit Verfügung vom 24.2.2022 geäußerten Rechtsansicht, dass im Rahmen der Billigkeitsprüfung eine entsprechende Korrektur dahingehend erfolgen könnte, dass die in der Zeit bis 03/2015 ermittelten Trennungsunterhaltsansprüche, die nicht voll zugesprochen worden sind, einer Verwirkung des Unterhalts in der Zeit ab 04/2015 entgegenstehen, nicht fest. Vielmehr erscheint bei genauer Betrachtung eine Korrektur der rechtlichen Ausführungen der Vorinstanz und des unterlaufenen Rechenfehlers hinsichtlich der Ansprüche für die Zeit von 02/2013 bis 03/2015 nicht angezeigt, weil dies darauf hinausliefe, ein Ergebnis zu verändern, welches durch Erhebung einer eigenen Beschwerde oder Anschlussbeschwerde hätte verhindert werden können. Hierzu sieht sich der Senat nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen für eine Verwirkung ab 03/2015 auf der Hand liegen und die Antragstellerin bei wahrheitsgemäßem Vortrag von Anfang an nicht damit hätte rechnen können, nach dem Zusammenzug mit ihrem Lebensgefährten noch weiter Trennungsunterhalt zu erhalten. Hinsichtlich des vorhergehenden Zeitraums gilt demgegenüber, nachdem gegen die diesbezüglichen Festsetzungen des Amtsgerichts kein Rechtsmittel eingelegt worden ist, der Grundsatz ne ultra petita (§ 308 Abs. 1 ZPO).
III. Der Praxistipp
1. Die vorliegende Entscheidung berücksichtigt die Entscheidung des BGH v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20 – sowie die Entscheidung des BGH v. 15.2.2017 (XII ZB 201/16).
In der praktischen Anwendung hat dies zur Folge, dass bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt der Naturalunterhalt, den ein betreuender Elternteil aus eigenen Einkünften für die gemeinsamen, bei ihm lebenden Kinder aufbringt, vor der Berechnung der Unterhaltsquote von seinem bereinigten Nettoeinkommen in Abzug zu bringen ist.
Im vorliegenden Fall ist von der Praktizierung eines Residenzmodells zumindest für den Zeitraum von 02/2013 bis 02/2014 auszugehen. Daher ist zugunsten des betreuenden Elternteils von einem ungedeckten Naturalkindesunterhaltsbedarf auszugehen, welcher von seinen Einkünften in Abzug zu bringen ist. Die Höhe dieser Abzugsposition wird ermittelt durch die Bildung der Differenz des Zahlbetrages nach der Düsseldorfer Tabelle aus dem – gemeinsamen – Einkommen der unterhaltspflichtigen Eltern und dem von dem barunterhaltspflichtigen Elternteil nach seinem Einkommen zu zahlenden geringeren Betrag.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Auffassung sich nicht auf Fälle außergewöhnlich gute Einkommensverhältnisse (vgl. BGH v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20) beschränke.
Exkurs zu BGH vom 29.9.2021 – XII ZB 474/20:
a) Der Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt es auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an.
b) Danach hätte das Oberlandesgericht den Wohnbedarf der Kinder mit 20 % des sich aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile ermittelten Unterhaltsbedarfs feststellen müssen. Dass der Unterhalt des Barunterhaltspflichtigen auf den Betrag begrenzt ist, den er aufgrund des von ihm allein erzielten Einkommens zahlen müsste, hat auf den Wohnbedarf der Kinder nach ihrem gesamten Barunterhaltsbedarf keinen Einfluss. Von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils ist somit der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In dieser Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen.
(c) Zudem ist ein erhöhter Bedarf für solche Positionen, die ihrer Art nach bereits in der Struktur der Düsseldorfer Tabelle enthalten sind, wie etwa ein erhöhter Wohnbedarf, möglich. Dieser ist kein Mehrbedarf im eigentlichen Sinne, sondern stellt einen erhöhten Regelbedarf dar.
2. Des Weiteren setzt sich der Senat im Einzelnen mit den Voraussetzungen des Verwirkungstatbestands gemäß § 1579 Nr. 2 BGB auseinander.
Er geht davon aus, dass jedenfalls mit Zusammenzug der Unterhaltsgläubigerin mit einem neuen Partner das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft gemäß § 1579 Nr. 2 BGB, welche über § 1361 Abs. 2 BGB auch auf den Trennungsunterhalt Anwendung findet, gegeben ist. Dabei zieht er im Wesentlichen die Umstände in Betracht, dass die Partner ihre Lebensverhältnisse aufeinander abgestellt haben und eine auf Dauer angelegte Verbindung unterhalten. Somit tritt das konkrete Zusammenleben der Unterhaltsgläubigerin mit einem Partner in den Hintergrund. Diese Auffassung ist jedenfalls sehr gut vertretbar, da der Tatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB an eine rein objektive Gegebenheit anknüpft und eine Veränderung in den Lebensverhältnissen des Unterhaltsbedürftigen berücksichtigt, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung des getrennt lebenden Ehegatten unzumutbar erscheinen lässt.
Konsequenterweise weist der Senat darauf hin, dass das Führen eines gemeinsamen Haushaltes zwar ein starkes Indiz sei, jedoch nicht unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen einer solchen – verfestigten – Lebensgemeinschaft.