OLG Hamm: Trennungsunterhalt bei gekündigtem Arbeitsverhältnis und Abfindung

5. Juni 2023

1. Zu den Voraussetzungen der Berücksichtigung einer durch den Arbeitge-
ber des Unterhaltspflichtigen ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsver-
hältnisses, die zu einer Minderung des unterhaltsrelevanten Einkommens
geführt hat. An den bis zur Kündigung bestehenden Einkommensverhältnis-
sen ist – in Form eines fingierten Einkommens – unterhaltsrechtlich nur dann
festzuhalten, wenn ein schwerwiegendes und nicht nur leichtes Verschulden
des Unterhaltspflichtigen an der Kündigung vorliegt.
2. Zur Obliegenheit des Unterhaltspflichtigen, die aus dem aufgelösten Ar-
beitsverhältnis erlangte Abfindungsleistungen zur Aufstockung des danach
erzielten geringeren Einkommens bis zur Höhe des früheren Unterhaltsbe-
darfs einzusetzen.
3. Soweit aus der Abfindungsleistung auch der Unterhalt eines minderjäh-
rigen Kindes aufzustocken ist, muss die Abfindung bis zum Erreichen der
Volljährigkeit des unterhaltsbedürftigen Kindes in monatliche Raten aufge-
teilt werden.
4. Stellt der Arbeitgeber dem Unterhaltspflichtigen am Ort seiner Erwerbs-
tätigkeit eine Wohnung kostenfrei zur Verfügung, ist der daraus folgende
Nutzungsvorteil mit 1/10 des monatlichen Selbstbehalts – in Anlehnung an die
Bewertung ersparter Wohn- und Haushaltskosten im Falle des Zusammenle-
bens mit einem Partner – einzusetzen.
5. Legt der Unterhaltsberechtigte einen zugesprochenen Vorsorgeunterhalt
gemäß § 1361 Abs. 1 S. 2 BGB auf einem Sparkonto an, entspricht dies nicht
der gesetzlichen Zweckbindung, da der Unterhaltsberechtigte über diese
Beträge jederzeit verfügen kann. Der Anspruch auf den Vorsorgeunterhalt ist
deshalb verwirkt gemäß § 242 BGB.
OLG Hamm, Beschl. v. 16.9.2022 – II-5 UF 44/22

I. Der Fall
Der Antragsteller begehrt die Abänderung eines Titels zum Trennungsunterhalt.
Die Beteiligten sind seit dem 7.4.1995 miteinander verheiratete Eheleute. Sie leben
seit 03/2017 getrennt. Aus der Ehe ist u.a. das gemeinsame Kind A, geboren in 2007,
hervorgegangen. Das Scheidungsverfahren ist seit dem 12.2.2018 rechtshängig. Das
Amtsgericht Detmold hat den Antragsteller mit Beschluss verpflichtet, für das Kind A
einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 160 % des Mindestunterhaltes ab 01/2019
zu zahlen. Dabei wurde ein Nettoeinkommen des Antragstellers in Höhe von
5.886,99 EUR abzgl. 675,00 EUR für eine Immobilienfinanzierung berücksichtigt.
Gleichzeitig hat das Amtsgericht eine Entscheidung zum Trennungsunterhalt getrof-
fen, die der Antragsteller mit der Beschwerde angegriffen hat. Das Oberlandesgericht
Hamm hat den Antragsteller mit Beschluss zur Zahlung laufenden Trennungsunterhal-
tes in Höhe von monatlich 1.999,00 EUR verpflichtet (1.583,00 EUR Elementarunter-
halt, 416,00 EUR Altersvorsorgeunterhalt). Es wurde ein Einkommen beim Antragstel –
ler in Höhe von 5.420,00 EUR netto zzgl. einer Steuererstattung in Höhe von
49,00 EUR und abzgl. des Kindesunterhaltes in Höhe von 691,00 EUR zugrunde
gelegt. Der Antragsteller wechselte zum 1.1.2021 seinen Arbeitgeber. Er arbeitetnunmehr in B. Die Unterkunft am Arbeitsort wird dem Antragsteller kostenfrei von
seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt.
Die Antragsgegnerin ist teilschichtig berufstätig.
Sie hat seit Spätsommer/Herbst 2017 einen neuen Partner. Sie haben getrennte
Wohnungen. Die Antragsgegnerin lebt in C, der Partner in D. Neben gemeinsamen
Wochenenden verbrachte man die Sommerurlaube zusammen, ebenso teilweise
Feiertage wie Heiligabend.
II. Die Entscheidung
Das OLG Hamm hält die die Beschwerde für zulässig und – teilweise – begründet. Es
begründet dies wie folgt:
1. Der Abänderungsantrag des Antragstellers zum Trennungsunterhalt ist zulässig.
Die Voraussetzungen des § 238 FamFG liegen vor. Enthält eine in der Hauptsache
ergangene Endentscheidung des Gerichts eine Verpflichtung zu künftig fällig
werdenden, wiederkehrenden Leistungen, kann nach § 238 Abs. 1 S. 1 FamFG jeder
Teil die Abänderung beantragen.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm,
der diesen zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet. Dabei begehrt er nach
§ 238 Abs. 3 S. 1 FamFG zulässigerweise eine Abänderung ab Rechtshängigkeit. Er
beruft sich entsprechend § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG auf Tatsachen, aus denen sich –
ihre Richtigkeit unterstellt – eine wesentliche Veränderung der aktuellen Verhältnisse
ergibt, die der Erstentscheidung zugrunde lagen. So behauptet er eine Verschlechte-
rung seiner Einkommenssituation, die Verfestigung einer Lebensgemeinschaft auf
Seiten der Antragsgegnerin mit der Folge einer Verwirkung des Unterhalts sowie die
Verletzung einer Erwerbsobliegenheit ihrerseits.
Diese Gründe sind gemäß § 238 Abs. 2 FamFG nach Schluss der Tatsachenverhand-
lung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden. Der Antragsteller behauptet eine
Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ab 01/2021, damit zu einem
Zeitpunkt nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 4.6.2020.
Soweit die neue Beziehung der Antragsgegnerin bereits im Zeitpunkt der Erstent-
scheidung bestand, ist für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft
neben einer gewissen Dauer auch das Vorliegen weiterer objektiver, nach außen
tretender Umstände von Nöten. Ein allein intimes Verhältnis reicht nicht aus. Für die
Beurteilung der Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin sind Faktoren wie bspw. das
Alter des Kindes, die Dauer der Trennung und Verpflichtung zur Verselbstständigung
von Bedeutung, die sich erst im Zeitraum nach der Erstentscheidung entwickelt
haben.
2. Der Abänderungsantrag ist teilweise begründet.
Ist das Abänderungsverfahren eröffnet, ermöglicht es weder eine freie, von der
bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichen-
de Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits in der Erstentscheidung eine
Bewertung erfahren haben. Es ist nicht möglich im Abänderungsverfahren erstmalig
Umstände zu berücksichtigen, die bereits im Ausgangsverfahren entscheidungser-
heblich gewesen sind, dort aber entweder nicht vorgetragen oder vom Gericht
übersehen worden sind. Eine Fehlerkorrektur ist im Abänderungsverfahren grund-
sätzlich nicht möglich, da die Rechtskraft der Vorentscheidung entgegensteht. Eine
Durchbrechung der Rechtskraft der Vorentscheidung ist nur insoweit möglich, als
sich die maßgeblichen Verhältnisse nachträglich verändert haben. Mithin kann nureine Anpassung des Unterhalts an veränderte Umstände unter Wahrung der Grundla-
gen des Unterhaltstitels vorgenommen werden, § 238 Abs. 4 FamFG. Entscheidend ist
damit, welche Verhältnisse für die Bemessung der Unterhaltsrente ursprünglich
maßgebend waren und welches Gewicht ihnen dabei zugekommen ist. Sodann ist
festzustellen, welche Veränderungen sich bezüglich der maßgeblichen Verhältnisse
ergeben haben und welche Auswirkungen sich hieraus für die Höhe des Unterhalts
ergeben.
Gemessen an diesen Kriterien ist die Erstentscheidung des Oberlandesgerichts
Hamm unter Berücksichtigung ihrer Bindungswirkung wegen des reduzierten
Einkommens des Antragstellers und einer veränderten Erwerbsobliegenheit der
Antragsgegnerin abzuändern. Der Antragsteller hat gemäß §§ 1361 Abs. 1 BGB, 238
FamFG ab 07/2021 einen monatlichen Trennungsunterhalt in tenorierter Höhe an die
Antragsgegnerin zu zahlen.
a) Gemäß § 1361 Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte vom anderen im Falle des Getrenntle-
bens den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnis-
sen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Die Beteiligten sind seit
03/2017 getrenntlebende Eheleute.
b) Der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten richtet sich nach den konkreten
individuellen Lebensverhältnissen der Eheleute. Für die Bedarfsbemessung und die
Berechnung von Trennungsunterhalt sind die gegenwärtigen wirtschaftlichen
Verhältnisse der Ehegatten in dem Zeitraum, für den Trennungsunterhalt verlangt
wird, maßgeblich. Abzustellen ist auf die aktuellen Einkommensverhältnisse, an deren
Entwicklung die Eheleute bis zur Scheidung gemeinschaftlich teilhaben. Begrenzt
wird der sich aus dem Bedarf ergebende Unterhaltsanspruch durch die Leistungsfä-
higkeit des Unterhaltspflichtigen. Ihm muss ein eheangemessener Selbstbehalt
verbleiben.
Danach ergibt sich eine Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers wie folgt:
(1) Das Einkommen des Antragsstellers hat sich verringert. In der abzuändernden
Entscheidung berücksichtigte das Oberlandesgericht beim Antragsteller ein Einkom-
men in Höhe von 5.420,00 EUR netto, zuzüglich einer Steuererstattung von
49,00 EUR. Im Jahr 2021 verfügte der Antragsteller ausweislich der Dezemberab-
rechnung über ein durchschnittliches Monatsgehalt inklusive Urlaubsgeldzahlung in
Höhe von rund 3.299,00 EUR netto. Dieses Einkommen ab 01/2022 mit monatlich
3.300,00 EUR netto fortzuschreiben. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetra-
gen, dass im laufenden Jahr ein geringeres Einkommen erzielt wird. Der Einkommens-
rückgang ist unterhaltsrechtlich beachtlich.
Der Verlust des vorherigen, besser bezahlten Arbeitsplatzes ist dem Antragsteller
nicht vorzuwerfen. Das Arbeitsverhältnis ist in 11/2020 durch eine arbeitgeberseitige
Kündigung beendet worden. Dass der Antragsteller diese Kündigung verantwortungs-
los oder zumindest unterhaltsbezogen leichtfertig herbeigeführt hat, ist nicht
festzustellen. Bei der Aufgabe des Arbeitsplatzes, Arbeitgeberkündigung oder
sonstiger beruflicher Veränderung, die nachteilige Auswirkungen auf das Einkommen
haben, ist stets zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige eine sich daraus ergebende
Leistungsunfähigkeit oder Leistungsminderung selbst schuldhaft herbeigeführt hat.
Dabei ist dem Unterhaltspflichtigen eine Berufung auf seine Leistungsunfähigkeit aus
Treu und Glauben verwehrt, wenn ein Fehlverhalten festzustellen ist, diesem ein
schwerwiegendes und nicht nur leichtes Verschulden zugrunde liegt und sich die
zugrunde liegenden Vorstellungen und Antriebe auch auf die Verminderung der
unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit als Folge des Verhaltens erstreckt haben.

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Erforderlich ist somit, dass sich das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche
Verhalten seinerseits als Verletzung der Unterhaltspflicht darstellt. Der darlegungs-
und beweisbelasteten Antragsgegnerin ist es nicht gelungen, den Beweis zu erbrin-
gen, dass der Antragsteller seine Arbeitsstelle unterhaltsbezogen leichtfertig verloren
hat. Die Antragsgegnerin hat behauptet, dem Antragsteller sei gekündigt worden, weil
er den Gesellschafter der Arbeitgeberin massiv beleidigt habe. Hierzu erklärte der
Antragsteller im Senatstermin, dass es ein Gespräch gegeben habe, bei dem klare
Worte gesprochen worden seien. Hintergrund seien unterschiedliche Vorstellungen in
der Geschäftsführung gewesen. Danach lässt sich nicht festzustellen, dass der
Antragsteller sich damit seiner Unterhaltsverpflichtung entziehen wollte bzw. die
Möglichkeit unterhaltsrechtlicher Konsequenzen erwogen hatte. Auch nach dem im
Senatstermin gewonnenen Eindruck scheint die Situation vielmehr dem Temperament
des Antragstellers geschuldet gewesen zu sein, weniger dem Ziel eine eingeschränkte
Leistungsfähigkeit herbeizuführen.
Ebenso wenig trifft den Antragsteller eine Obliegenheitsverletzung, soweit er zum
1.1.2021 eine Arbeitsstelle angetreten hat, aus der er ein Einkommen erzielt, das unter
dem zuvor erzielten liegt. Die Erwerbsbiografie, Qualifikation und persönlichen
Verhältnisse des Antragstellers berücksichtigt, entspricht das tatsächliche Einkom-
men dem erzielbaren. Dass der Antragsteller sich für diese Anstellung entschieden
hat, ist ihm daher unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar.
[Ausführungen zum beruflichen Werdegang des Antragstellers]
Inzwischen ist der Antragsteller bei H Bedachungen tätig und für Kalkulationen,
Akquisitionen und den Materialeinkauf zuständig. Aus dieser Tätigkeit erzielt er einen
Monatsbruttolohn in Höhe von 5.500,00 EUR. Nach dem Tarifregister NRW liegen ab
10/2021 die Monatsgehälter für Meister in der untersten Gehaltsgruppe bei bis zu
5.085,00 EUR und in der höchsten Gehaltsgruppe bei bis zu 5.715,00 EUR. Damit ist
das Gehalt des Antragstellers im Bereich der höchsten Gehaltsgruppe anzusiedeln.
Berücksichtigt man, dass die vorherige, wesentlich besser dotierte Tätigkeit Aufgaben
umfasste, die über das eigentliche Berufsbild des Antragstellers hinausgehen und
nicht den Regelfall betreffen, ist das derzeitige Einkommen angemessen.
(2) Das Einkommen ist unter Heranziehung der Abfindung aufzustocken. Abfindungen
aus Arbeitsverhältnissen haben regelmäßig Lohnersatzfunktion und sind deshalb als
Einkommen zu bewerten. Kann der Unterhaltspflichtige sein früheres Einkommen
nicht mehr erzielen, weil das Einkommen aus dem neuen Arbeitsverhältnis hinter dem
früheren zurückbleibt, ist die Abfindung grundsätzlich zur Aufstockung des verringer-
ten Einkommens einzusetzen. Dabei ist die Abfindung auf einen längeren Zeitraum zu
verteilen, jedoch nicht notwendigerweise zur kompletten Aufstockung zu verwenden,
sondern unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls und der
jeweils beiderseitigen Interessen.
Der Antragsteller erhielt eine Abfindung in Höhe von 51.910,00 EUR netto. Dieser
Betrag ist auf einen Zeitraum von vier Jahren zu verteilen. Die Abfindung dient dem
Ersatz für fortgefallenes Arbeitseinkommen und soll dem Antragsteller ermöglichen,
trotz des Arbeitsplatzverlustes eine gewisse Zeit seine bisherigen wirtschaftlichen
Verhältnisse aufrecht zu erhalten und auch seinen eigenen Unterhaltsbedarf in
bisheriger Höhe sicherzustellen. Würde man die Abfindungszahlung dazu verwenden,
die Einkommensdifferenz zwischen dem früheren und dem aktuellen Einkommen
aufzufüllen, wäre sie nach etwa 24 Monaten verbraucht. Danach würde es zu einem
spürbaren Absinken des Einkommens und damit auch des Trennungsunterhaltsan-
spruches kommen, was nicht sachgerecht wäre. Nach mittlerweile vierjähriger Trennung ist die Antragsgegnerin zu einer immer weiteren Verselbstständigung
verpflichtet. Ihr Alter und ihr gesundheitlicher Zustand stehen dem nicht entgegen.
Berücksichtigt man weiter, dass der Antragsteller nicht nur der Antragsgegnerin,
sondern auch dem jüngsten gemeinsamen Sohn der Beteiligten gegenüber zum
Unterhalt verpflichtet ist, der mindestens bis zur Volljährigkeit im Jahr 2025 unter-
haltsbedürftig bleiben wird, ist eine Verteilung der Abfindung über einen Zeitraum von
vier Jahren angemessen. Die wirtschaftlichen Nachteile, die die Beteiligten infolge
des Arbeitsplatzwechsels des Antragstellers erleiden, werden so angemessen aber
auch ausreichend gemildert. Bei einer anteiligen Umlage der Abfindung auf diesen
Zeitraum sind monatliche Beträge in Höhe von 1.081,00 EUR einkommenserhöhend
anzurechnen. Weil die Abfindung nicht aus einer fortdauernden Erwerbstätigkeit
herrührt, ist von ihr ein Erwerbstätigenbonus nicht in Abzug zu bringen.
(3) Die im Jahr 2021 gezahlte Steuererstattung in Höhe von 4.984,15 EUR ist mit
monatlich 415,00 EUR anzurechnen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist
auch im Jahr 2022 mit einer Steuererstattung in dieser Höhe zu rechnen, sodass
diese fortzuschreiben ist.
(4) Dass dem Antragsteller ein Verpflegungsmehraufwand entsteht, ist nicht ersicht-
lich. Ihm wird vom Arbeitgeber eine Wohnung am Arbeitsort kostenfrei zur Verfügung
gestellt, sodass keine zusätzlichen Kosten entstehen. In Anlehnung an den Grundsatz
ersparter Wohn- und Haushaltskosten bei Zusammenleben in häuslicher Gemein-
schaft mit einem Partner entsprechend Ziffer 6.2 der Hammer Leitlinien bewertet der
Senat die Ersparnis des Antragstellers mit 10 % des Selbstbehaltes. Ihm sind daher
128,00 EUR einkommenserhöhend anzurechnen.
(5) Vom Einkommen in Abzug zu bringen ist der mit Beschluss des Amtsgerichts –
Familiengericht – Detmold titulierte Kindesunterhalt in Höhe von 160 % des Mindest-
unterhaltes der Düsseldorfer Tabelle, was im Jahr 2021 einem Zahlbetrag in Höhe von
735,50 EUR und im Jahr 2022 in Höhe von 743,50 EUR entspricht.
(6) Dem Antragsteller entstehen anrechenbare, berufsbedingte Fahrtkosten. Für
Fahrten von der zum Arbeitsplatz sind die Kosten der Pkw-Nutzung in der Regel mit
0,42 EUR (für die Zeit bis 31.12.2021 0,30 EUR) je Kilometer (Formel: Entfernungskilo –
meter x 2 x 0,30 EUR x 220 Arbeitstage ÷ 12 Monate) abzugsfähig. Geht die einfache
Entfernung über 30 km hinaus, sind die weiteren Kilometer wegen der eintretenden
Kostenersparnis nur mit den Betriebskosten von 0,28 EUR (für die Zeit bis 31.12.2021
0,20 EUR) je Kilometer anzusetzen. Vorliegend gilt es die Besonderheit zu beachten,
dass der Antragsteller nicht täglich, sondern zweimal wöchentlich die Wegstrecke zur
Arbeit zurücklegt und darüber hinaus etwa einmal monatlich kostenfrei ein Poolfahr-
zeug des Arbeitgebers für die Heimfahrten nutzen kann. Bei 220 Arbeitstagen fährt
ein Arbeitnehmer an 44 Wochen im Jahr zur Arbeit. Unter weiterer Berücksichtigung
der möglichen Poolfahrzeugnutzung einmal monatlich fährt der Antragsteller pro
Jahr an 32 Wochen nach B. Bei einer einfachen Wegstrecke von 285 km entspricht
dies einer Gesamtstrecke von 18.240 km. Dies berücksichtigt, errechnen sich die
Fahrtkosten wie folgt:
[Berechnung der Fahrtkosten]
(7) Die Antragsgegnerin erzielte im Jahr 2021 monatsdurchschnittlich rund
1.120,00 EUR netto, seit 01/2022 verfügt sie über rund 1.200,00 EUR netto. Da sie
nur in Teilzeit tätig ist, genügt sie ihrer Erwerbsobliegenheit nicht. Ihr ist ein fiktives
Einkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit anzurechnen. Ein getrenntlebender Ehegatte hat nur dann einen Unterhaltsanspruch, wenn er
bedürftig, also nicht in der Lage ist, seinen Bedarf mit eigenen zurechenbaren
Einkünften aus Erwerbstätigkeit zu decken. Während das Gesetz beim nachehelichen
Unterhalt von einer grundsätzlichen Erwerbsobliegenheit des Berechtigten ausgeht
(§ 1574 Abs. 2 BGB), steht beim Trennungsunterhalt der vorläufige Schutz der
bestehenden Verhältnisse im Vordergrund. So kann der nicht erwerbstätige Ehegatte
nach § 1361 Abs. 2 BGB nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch
eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönli-
chen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter
Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen
beider Ehegatten erwartet werden kann. Für den Trennungsunterhalt gelten zunächst
großzügigere Anforderungen hinsichtlich einer Erwerbsobliegenheit, da die beste-
henden Verhältnisse geschützt werden sollen, um eine Wiederherstellung der
ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erschweren. Mit zunehmender Verfestigung
der Trennung wird allerdings eine allmähliche Annäherung der unterschiedlichen
Maßstäbe der Erwerbsobliegenheit bewirkt; wenn die Scheidung nur noch eine Frage
der Zeit ist, besteht für eine erheblich großzügigere Beurteilung in der Regel kein
Grund mehr. Die Beteiligten leben seit 03/2017 getrennt. Beide wünschen die
Scheidung. Das Scheidungsverfahren ist rechtshängig. Dessen Beendigung hängt
allein von der Klärung des strittigen Zugewinns ab. Da die Scheidung daher nur noch
eine Frage der Zeit ist, ist von einer vollzeitigen Erwerbsobliegenheit der Antragsgeg-
nerin auszugehen. Die Betreuung der gemeinsamen Kinder steht einer Erwerbstätig-
keit im vollen Umfang nicht entgegen. Die erstgeborenen Kinder der Beteiligten sind
volljährig. Der gemeinsame noch minderjährige Sohn ist inzwischen 15 Jahre alt,
damit in einem Alter, in dem er nicht mehr auf die ständige Anwesenheit und Unter-
stützung seiner Mutter angewiesen ist.
Ebenso wenig stehen gesundheitliche Gründe einer vollschichtigen Tätigkeit entge-
gen. Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte
Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will, muss grundsätzlich Art und
Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden darle-
gen. Er hat ferner mitzuteilen, inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen
sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, seit
zehn Jahren unter einer Mitralklappeninsuffizienz zu leiden. Ihre Werte hätten sich in
letzter Zeit verschlechtert. Die Herzschwäche führe dazu, dass sie nicht vollständig
belastbar sei. Sie sei bereits nach der jetzt absolvierten Arbeitszeit erschöpft. Sie
arbeite körperlich, sodass eine Ausweitung der Tätigkeit von ihr nicht bewerkstelligt
werden könne. Dies würde zu einem dauerhaften Erschöpfungssyndrom führen.
Ärztliche Berichte oder andere geeignete Nachweise, die diese Behauptung stützen,
hat sie nicht vorgelegt. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin im Senatstermin
erklärt hat, bis auf 15 Minuten an eine Tätigkeit im vollschichtigen Umfang heranzu-
kommen. Damit ist sie offensichtlich auch gesundheitlich zur Ausübung einer
Tätigkeit in dem Umfang imstande. Ihr ist daher ein fiktives Einkommen zuzurechnen,
welches sie bei Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit erzielen könnte.
Fiktive Einkünfte sind gemäß §§ 113 FamFG, 287 ZPO im Wege der Schätzung am
Maßstab des erzielbaren Nettobetrags nach Abzug von Steuern und Vorsorgeaufwen-
dungen zu ermitteln. Der fiktive monatliche Nettolohn ist vorliegend auf der Grundla-
ge des jeweiligen Mindeststundenlohns zu errechnen. Ausgehend von einer 40-Stun-
den-Woche errechnet sich daher nachstehendes fiktives Erwerbseinkommen:
[Konkrete Berechnung des fiktiven Erwerbseinkommens der Antragsgegnerin]

8) Vom Erwerbseinkommen der Beteiligten ist ein Erwerbstätigenbonus abzusetzen,
den der Senat für den gesamten unterhaltsrelevanten Zeitraum mit einem Zehntel
bemisst. Bei der Bedarfsbemessung nach der Quotenmethode ist nach ständiger
Rechtsprechung des BGH auf Seiten beider Beteiligten ein Erwerbsanreiz zu berück-
sichtigen. Danach widerspricht es dem Halbteilungsgrundsatz nicht, zugunsten eines
erwerbstätigen Beteiligten von einer strikt hälftigen Aufteilung in maßvoller Weise
abzuweichen, um den mit einer Berufsausübung verbundenen höheren Aufwand zu
berücksichtigen und zugleich einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen. Dass dem
Unterhaltsberechtigten ebenfalls ein Erwerbstätigenbonus von seinem Einkommen
zugebilligt wird, ist durch den Halbteilungsgrundsatz und der diesem zugrundeliegen-
den gleichen Teilhabe von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigem
gerechtfertigt. Die Rechtfertigung des Erwerbstätigenbonus entfällt jedoch insoweit,
als die mit der Berufsausübung verbundenen höheren Aufwendungen entweder bei
Selbstständigen von vornherein im Rahmen der Gewinnermittlung oder bei Nicht-
selbstständigen (pauschal mit 5 % oder konkret) berücksichtigt werden. Erschöpft
sich die Funktion des Erwerbstätigenbonus dann jedoch darin, die mit der Ausübung
einer Berufstätigkeit regelmäßig verbundene, nicht allein mit der Abgeltung berufsbe-
dingter Aufwendungen kompensierte persönliche Mehrbelastung des Erwerbstätigen
unterhaltsrechtlich zu honorieren, bedarf es im Einzelnen einer Begründung des
Tatgerichts, wenn es mehr als ein Zehntel des Erwerbseinkommens der Bedarfsbe-
messung entzieht. Denn bei der pauschalen Ausnahme von dem Grundsatz, dass das
gesamte Ehegatteneinkommen eheprägend im Sinne des § 1578 Abs. 1 BGB ist, ist
Zurückhaltung geboten.
Gemessen an diesen Kriterien ist die ausnahmsweise Berücksichtigung eines höheren
Erwerbsanreizes nicht geboten, da auch im vorliegenden Fall der Erwerbstätigenbo-
nus lediglich die mit der Berufstätigkeit verbundene Mehrbelastung, die nicht bereits
durch die konkreten berufsbedingten Aufwendungen abgegolten worden sind,
honorieren soll. Andere, darüber hinaus gehende Gründe sind nicht vorhanden.
c) Ein Altersvorsorgeunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ist verwirkt, da
Zahlungen hierauf nicht zweckentsprechend verwendet wurden.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Vorsorgeunterhalt gem. § 1578
Abs. 3 BGB ein zweckgebundener, in der Entscheidung besonders auszuweisender
Bestandteil des nachehelichen Unterhalts, den der Berechtigte für eine entsprechen-
de Versicherung zu verwenden hat. Dem Unterhaltsberechtigten steht es dabei frei,
den Altersvorsorgeunterhalt als freiwillige Leistung in die gesetzliche Rentenversiche-
rung einzuzahlen oder ihn ganz oder teilweise für eine private Altersvorsorge, insbe-
sondere eine private Rentenversicherung, zu verwenden. Bei zweckwidriger Verwen-
dung der als Vorsorgeunterhalt geleisteten Beträge ist der Unterhaltsgläubiger später
so zu behandeln, als hätten diese zu einer entsprechenden Versicherung geführt.
Macht der Berechtigte erstmals Vorsorgeunterhalt geltend, braucht er grundsätzlich
keine konkreten Angaben über die Art und Weise der von ihm beabsichtigten Vorsor-
ge zu machen. Dies gilt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
jedoch nicht, wenn er in der Vergangenheit als Vorsorgeunterhalt erhaltene Beträge
nicht bestimmungsgemäß verwendet hat. Entsprechendes gilt auch dann, wenn der
Unterhaltsberechtigte einem Auskunftsverlangen zur Verwendung des bereits
gezahlten Altersvorsorgeunterhalts nicht nachkommt. Denn in diesem Fall besteht die
begründete Besorgnis, dass er die an sich gezahlten Beträge nicht zweckentspre-
chend verwendet. Auch dann wäre die Forderung des Unterhaltsberechtigten auf
Vorsorgeunterhalt nicht schlüssig begründet.
2) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Antragsteller nicht mehr verpflichtet,
Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen, da die Antragsgegnerin die bisherigen auf den
Altersvorsorgeunterhalt geleisteten Beträge nicht zweckentsprechend verwendet hat.
Die Antragsgegnerin hat den gemäß Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm
gezahlten Altersvorsorgeunterhalt auf ein Konto eingezahlt. Die Schaffung von
Sparvermögen hält sich jedoch nicht im Rahmen der Zweckbindung. Der Zweck des
Altersvorsorgeunterhalts besteht darin, dass die aus dem angesparten Kapital
fließenden Renteneinkünfte zur Deckung des Bedarfs im Alter zur Verfügung stehen.
Durch das bloße Ansparen wird dieser Zweck beeinträchtigt, da der Sparbetrag dem
jederzeitigen Zugriff der Antragsgegnerin unterliegt.
d) Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ergibt sich nachstehende Unterhalts-
berechnung:
[Konkrete Unterhaltsberechnung]
e) Der Trennungsunterhaltsanspruch ist nicht verwirkt. Die Antragsgegnerin lebt nicht
in einer verfestigten Lebensgemeinschaft.
Nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen,
herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflich-
teten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder
Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der
Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Voraussetzung für eine
eheähnliche Lebensgemeinschaft ist das Bestehen eines auf Dauer angelegten
Verhältnisses, das gleichsam an die Stelle einer Ehe tritt, und bei der die Partner in der
Öffentlichkeit wie ein Ehepaar in Erscheinung treten. Entscheidend ist, ob sich der
Unterhaltsberechtigte durch Eingehen der neuen Lebensgemeinschaft endgültig aus
der nachehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht
mehr benötigt. Trotz eines länger dauernden Verhältnisses zu einem neuen Partner
kann der Anwendung von § 1579 Nr. 2 BGB entgegenstehen, dass die Lebensbereiche
getrennt gehalten werden und die Beziehung damit bewusst auf Distanz angelegt ist.
Denn nicht jede freundschaftliche, auch engere Beziehung ist schon eine ehegleiche
Lebensgemeinschaft. Entscheidend ist vielmehr, dass der Unterhaltsberechtigte mit
einem neuen Partner in einer verfestigten Beziehung lebt, die Partner ihre Lebensver-
hältnisse so aufeinander abgestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander
einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren, und damit
ihr Zusammenleben ähnlich gestalten, wie es sich aufgrund der nach außen dringen-
den Gegebenheiten auch in einer Ehe darstellt.
Gemessen an diesen Kriterien spricht einzig das Zeitmoment für eine verfestigte
Lebensgemeinschaft, da die Antragsgegnerin seit nahezu fünf Jahren in einer
Beziehung lebt. Abgesehen davon werden die Lebensbereiche bewusst auseinander
gehalten. Die Antragsgegnerin und ihr Partner leben in getrennten Wohnungen, die
nahezu 100 km voneinander entfernt sind. Man verfügt jeweils über eigene Freundes-
kreise, fährt nur gelegentlich gemeinsam in den Urlaub oder verbringt die Feiertage
zusammen. Dass man füreinander einsteht, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig findet
ein gemeinsames Wirtschaften statt.
III. Der Praxistipp
Diese Entscheidung des OLG Hamm beinhaltet verschiedene unterhaltsrechtliche
Aspekte, die dem Praktiker regelmäßig allein oder in Kombination begegnen.
Gegenstand dieser Entscheidung ist unter anderem die Frage der unterhaltsrechtli-
chen Vorwerfbarkeit einer Arbeitgeberkündigung, der Obliegenheit zur Aufstockung seines – nach Kündigung geringeren – Einkommens durch die geleistete Abfindungs-
zahlung über einen – auch längeren – Zeitraum sowie die kostenlose Zurverfügung-
stellung einer Wohnung als Nutzungsvorteil im Rahmen der Leistungsfähigkeit des
Unterhaltsschuldners.
Des Weiteren beschäftigt sich diese Entscheidung mit der Erwerbsobliegenheit sowie
der Ermittlung der Höhe fiktiver Einkünfte und der zweckentsprechenden Verwen-
dung des Altersvorsorgeunterhalts bis hin zu dessen Verwirkung beim Unterhalts-
gläubiger.
Damit nicht genug steht auch die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs aufgrund
Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft des Unterhaltsgläubigers mit einer
Dauer von fünf Jahren, jedoch ohne gemeinsamen Wohnsitz, im Raum.