Zulässigkeit des Verzichts auf Trennungsunterhalt

1. August 2024
  1. Unabhängig davon, ob der Unterhaltsberechtigte einen Verzicht auf den
    Trennungsunterhalt abgegeben oder erklärt hat, den Anspruch nicht gel-
    tend machen zu wollen, entfällt der Anspruch nicht, weil beide Erklärungen
    unwirksam sind. Es folgt hieraus auch keine erhebliche Einwendung gegen
    die eingeleitete Zwangsvollstreckung.
  2. Soweit ein zulässiger Verzicht auf rückständigen Trennungsunterhalt
    behauptet wird, trägt der antragstellende Schuldner für die vorgebrachten
    rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Einwendungen gegen den
    verlangten Unterhalt die Darlegungs- und Beweislast.
    OLG Hamm, Beschl. v. 20.9.2023 – II-13 UF 104/23
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  1. Der Fall
    Der Antragsteller wendet sich im Vollstreckungsabwehrverfahren gegen die Zwangs-
    vollstreckung von Trennungsunterhaltsansprüchen aus einer vollstreckbaren
    notariellen Urkunde des Zeugen R.
    Die Beteiligten haben 1999 geheiratet und sind seit 10/2022 rechtskräftig geschie-
    den. Ihre Trennung erfolgte in 01/2021. Bis einschließlich Dezember 2021 zahlte der
    Antragsteller an die Antragsgegnerin einen monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v.
    506 EUR. Im Januar 2022 überwies der Antragsteller der Antragsgegnerin einen
    anteiligen Unterhalt i.H.v. 97,17 EUR und benannte in der Überweisung den Verwen-
    dungszweck mit „Trennungsgeld G. bis zum 6.1.2022, wie abgesprochen“. Ab dem
    7.1.2021 stellte der Antragsteller die Zahlung von Trennungsunterhalt ein.
    Bereits am 17.12.2021 hatten die Beteiligten bei dem Zeugen Q. R. eine notarielle
    Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung mit Immobilienübertragung unter-
    zeichnet.
    [Inhalt der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung]
    Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.8.2022 forderte die Antragsgegnerin den Antrag-
    steller unter Androhung der Zwangsvollstreckung sodann auf, rückständigen Tren-
    nungsunterhalt von Januar bis August 2022 zu zahlen und äußerte, dass sich die
    Formulierung zum Verzicht in der E-Mail vom Vortag ausdrücklich nur auf die Geltend-
    machung bezogen habe.
    Der Antragsteller leitete daraufhin das vorliegende Verfahren ein, mit dem er das Ziel
    verfolgt, dass die Vollstreckung des Trennungsunterhalts aus der notariellen Urkunde
    für unzulässig erklärt wird.
    II. Die Entscheidung
    Nach Auffassung des OLG Hamm hat die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat
    in der Sache keinen Erfolg. Diese Entscheidung begründet das OLG wie folgt:
  1. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 63 Abs. 1, 117 Abs. 1 S. 1 FamFG
    frist- und formgerecht eingelegt worden.
    Gegen den Antrag, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, bestehen
    auch im Übrigen keine Zulässigkeitsbedenken. Insbesondere handelt es sich bei dem
    Vollstreckungsabwehrverfahren um einen zulässigen Rechtsbehelf. Zwar sieht das
    FamFG für einen Unterhaltspflichtigen, der sich gegen eine Zwangsvollstreckung aus
    Unterhaltstiteln zur Wehr setzen will, im Unterschied zum Abänderungsverfahren keinen originären Rechtsbehelf vor. Der allgemeine Verweis in § 120 Abs. 1 FamFG,
  2. wonach die Vollstreckung in Familienstreitsachen entsprechend den Vorschriften der
  3. ZPO erfolgt, stellt aber sicher, dass auch in den Unterhaltssachen dem Unterhalts-
  4. pflichtigen die Verfolgung seiner Rechte in einem Vollstreckungsabwehrverfahren
  5. erhalten bleibt, § 767 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG (Wendl/Dose, UnterhaltsR,
  6. § 10 Verfahrensrecht Rn 295, beck-online).
  7. Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch unbegründet, denn das Amtsgericht
    hat den Vollstreckungsabwehrantrag des Antragstellers zu Recht zurückgewiesen.
    a) Dabei kann die Frage, ob die Beteiligten im Zuge der notariellen Beurkundung eine
    mündliche Nebenabrede dahingehend getroffen haben, dass die Antragstellerin für
    den Zeitraum ab Januar 2022 für die Zukunft auf Trennungsunterhalt verzichtet,
    dahingestellt bleiben. Denn ein solcher Verzicht wäre ohnehin gemäß § 134 BGB
    nichtig. Nach §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3 i.V.m § 1614 BGB ist ein Verzicht auf
    künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 BGB nichtig. Die
    Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will
    verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit durch
    Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruchs seiner Lebensgrundlage
    begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht (BGH,
    Beschl. v. 30.9.2015, XII ZB 1/15, beck-online).
    b) Soweit der Vortrag des Antragsgegners dahingehend auszulegen ist, dass die
    Beteiligten vereinbart hätten, dass die Antragsgegnerin auf den ihr zustehenden
    Unterhaltsanspruch ab Januar 2022 zwar nicht verzichtet, die Beteiligten aber – im
    Wege eines pactum de non petendo – vereinbart haben, dass die Antragsgegnerin
    ihren Unterhalt nicht geltend macht, ist hierin ebenfalls keine erhebliche Einwendung
    gegen die Zwangsvollstreckung zu sehen. Eine solche Vereinbarung wäre nämlich
    ebenfalls nach § 134 BGB unwirksam, so dass auch dahingestellt bleiben kann, ob
    eine solche Vereinbarung tatsächlich getroffen worden ist. Denn eine Verpflichtung
    oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt
    nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unterhaltsanspruchs nicht,
    begründet aber eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu
    dem gleichen Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht. Deshalb ist in einem pactum
    de non petendo ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft zu
    sehen (BGH, Beschl. v. 30.9.2015 – XII ZB 1/15, beck-online; Wendl/Dose, UnterhaltsR,
    § 4 Ehegattenunterhalt Rn 85, beck-online).
    c) Die Beschwerde des Antragstellers hat auch nicht mit ihrem Hilfsantrag, die
    Zwangsvollstreckung für den Zeitraum ab dem 7.8.2022 für unzulässig zu erklären,
    Erfolg. Denn der Antragsteller hat den ihm obliegenden Beweis eines solchen
    Verzichts nicht geführt. Ein Verzicht auf Trennungsunterhalt für die Vergangenheit ist,
    anders als ein Verzicht auf Trennungsunterhalt für die Zukunft, zulässig (Wendl/Dose,
    UnterhaltsR, § 4 Ehegattenunterhalt Rn 85, beck-online).
    Entgegen der Ansicht des Antragstellers trifft ihn die Beweislast für das Vorliegen
    eines Verzichts. Die Beweislastverteilung im Vollstreckungsabwehrverfahren richtet
    sich danach, welche Einwendungen vorgebracht werden. Insofern gelten die allgemei-
    nen Grundsätze der Beweislastverteilung. Die Parteirolle ist unerheblich. Der klagen-
    de Schuldner trägt regelmäßig die Beweislast für die vorgebrachten rechtsvernichten-
    den und rechtshemmenden Einwendungen. Wird zulässigerweise über das Entstehen
    der Forderung gestritten, so liegt die Beweislast dagegen beim Gläubiger; insbeson-
    dere führt die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nicht zu einer Beweislas-
    tumkehr (BeckOK ZPO/Preuß, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 767 Rn 35).

Da die Beteiligten gerade nicht darüber streiten, ob der Antragsgegnerin dem Grunde
nach ein Anspruch auf Trennungsunterhalt – und damit über das Entstehen der
Forderung- zusteht, sondern darüber, ob dieser Anspruch durch Verzicht untergegan-
gen ist, ist der Antragsteller vorliegend beweisbelastet.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt auch aus der E-Mail der Antrags-
gegnerin vom 7.8.2022 („wie dir bekannt ist, verzichte ich seit Januar auf den mir
zustehenden Unterhalt“) nicht, dass nunmehr der Antragsgegnerin die Darlegungs-
und Beweislast obliegen würde. Denn dies würde voraussetzen, dass der Antragsteller
mit der E-Mail bereits den Beweis eines Verzichts erbracht hätte, so dass die Antrags-
gegnerin nunmehr den Gegenbeweis führen müsste. Dies ist allerdings nicht der Fall.
Grundsätzlich gilt, dass in der Nichtgeltendmachung von Trennungsunterhalt für eine
längere Zeit noch kein Verzicht erblickt werden kann. Es ist vielmehr zu prüfen, ob der
Berechtigte einen triftigen Grund für einen solchen Verzicht hatte oder ob nicht eine
andere Erklärung für die Unterlassung der Rechtsausübung naheliegt (Wendl/Dose,
a.a.O.). Der Senat folgt dem Amtsgericht dabei dem in seinen Ausführungen, dass der
Antragsteller mit der E-Mail den Beweis eines Verzichts durch die Antragsgegnerin
nicht geführt hat. Der Senat schließt sich ausdrücklich der Auffassung des Amtsge-
richts an, dass der Wortlaut der E-Mail vom 7.8.2022 („Wie dir bekannt ist, verzichte
ich seit Januar auf den mir zustehenden Unterhalt …“.) vor dem Hintergrund betrachtet
werden muss, dass die Antragsgegnerin rechtlicher Laie ist. Eine Auslegung nach
§§ 133, 157 BGB ergibt, dass die Antragsgegnerin mit dieser Formulierung darauf
hinweisen wollte, dass sie seit Januar 2022 keinen Unterhalt mehr erhalten hat und
diesen bislang nicht geltend gemacht hat. Warum die Antragsgegnerin auf einen
notariell beurkundeten Anspruch rückwirkend hätte verzichten sollen, erschließt sich
dem Senat nicht, zumal der Antragsteller auch nicht vorgetragen hat, womit ein
rückwirkender Verzicht auf Trennungsunterhalt hätte kompensiert werden sollen.
Hinzu kommt, dass die Beteiligten in der notariellen Urkunde sogar davon ausgegan-
gen sind, dass der Antragsgegnerin für einen Zeitraum von sieben Jahren noch
Ansprüche auf nachehelichen Ehegattenunterhalt zustehen, § 6 Abs. 1 der notariellen
Vereinbarung; auch dies spricht dagegen, dass die Antragsgegnerin Veranlassung
gehabt haben könnte, auf ihren Unterhalt zu verzichten.
Da es für die Frage des Vorliegens einer Verzichtserklärung in Bezug auf rückwirken-
den Unterhalt nicht darauf ankommt, ob die Beteiligten bereits im Dezember 2021/
Januar 2022 eine Nebenabrede zum notariellen Vertrag getroffen haben, wonach die
Antragsgegnerin keinen Unterhalt geltend gemacht hat, kommt es bei der Beweiswür-
digung weder auf die Bekundungen des Zeugen R., den Verwendungszweck bei der
Überweisung des anteiligen Unterhalts für Januar 2022 noch die E-Mail der Antrags-
gegnerin aus Februar an. Auch die Frage, wie die in § 6 des Vertrages getroffene
Verrechnungsabrede auszulegen ist, ist für die Frage eines nachträglich im August
2022 vereinbarten Verzichts unerheblich. Schließlich folgt entgegen der Auffassung
des Antragstellers aus der Formulierung in § 5 des Vertrages, wonach mit der Unter-
werfung unter die Zwangsvollstreckung eine Beweislastumkehr nicht verbunden sei,
nicht, dass rückständiger Unterhalt nur von dem Zeitpunkt an verlangt werden könne,
zu welchem eine entsprechende Zahlungsaufforderung erfolgt ist. Weder aus dem
Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vereinbarung ergibt sich eine entspre-
chende Auslegung.
3.
[Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs]



III. Der Praxistipp
Wie dem Praktiker sehr wohl bekannt ist, kann auf Unterhalt für die Zukunft nicht ganz
oder auch nur teilweise wirksam verzichtet werden. Gleiches gilt konsequenterweise
auch für eine Vereinbarung dahingehend, dass der Anspruch auf Zahlung von
Trennungsunterhalt nicht geltend gemacht werde. Eine solche Vereinbarung ist nach
§ 134 BGB unwirksam.
Eine Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten,
Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unter-
haltsanspruchs nicht, sodass § 1614 BGB keine Anwendung findet, begründet aber
eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen
Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht. Deshalb ist in einem pactum de non
petendo ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft zu sehen.